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Dobel -  27.05.2019
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Schnelles Geständnis und Täterwissen ausschlaggebend

Tübingen/Dobel. Das Urteil beim Landgericht Tübingen im Mordfall von Dobel ist gefallen. Der ältere Angeklagte, ein früherer syrischer Geheimdienstmann, der die drei Schüsse auf seinen vormaligen Geschäftspartner abgefeuert hatte, bekam für den gemeinschaftlichen Mord lebenslänglich.

Sein 23-jähriger, mazedonischer Ziehsohn kam mit einer Haftstrafe von 13 Jahren davon, weil dem Duo der gemeinsam geplante Mord ohne seine schnellen Geständnisse womöglich gar nicht gerichtsfest nachweisbar gewesen wäre: eine Art Kronzeugen-Bonus.

Er hätte möglicherweise sogar ganz unaufgeklärt und ungesühnt bleiben können nach so präziser Planung und Spurenbeseitigung. Dabei hatte die 38-köpfige Sonderkommission „Tanne“ der Karlsruher Kripo akribisch und letztlich erfolgreich ermittelt, bevor sie die beiden Verdächtigen genau einen Monat nach dem Mord an der Landstraße 340 im Wald zwischen Bad Herrenalb und Dobel schließlich festnahm und nach den Hinweisen viele Beweise sichern konnte – wie die zwei Tage nach dem Mord auseinandergeschraubte und im Rhein versenkte Tatwaffe.

Die Leiche des 42-jährigen Irakers aus Baden-Baden war am späten Abend des 17. September 2018 von einem Autofahrer am Straßenrand gefunden worden. Zunächst ging man von einem tragischen Verkehrsunfall mitten im Wald aus. Dann entdeckte der eingetroffene Notarzt – ein Funkloch hatte den Notruf erschwert und verzögert – die drei Schussverletzungen. Bis auf einen Tankbeleg gab es allerdings keinerlei Hinweise auf die Identität des Toten oder gar auf die Tatumstände. Seinen Wagen, einen Audi A 6 mit seltenem Rechtslenker, fand die Sonderkommission „Tanne“ dann doch recht schnell verlassen in Maximiliansau am pfälzischen Rheinufer bei Wörth. Nach Erkundungen im Umfeld des Ermordeten hatten die Fahnder bald die Patchwork-Familie aus Karlsruhe im Visier: eine türkisch-kurdische frühere Rechtsanwaltsgehilfin, ihren 23-jährigen Ziehsohn, der aus Mazedonien stammt, sowie ihren im Jahr 2000 aus Syrien nach Deutschland gekommenen Lebensgefährten.

Mit ihm hatte der Iraker Autos gehandelt und ihn vor allem dessen vorgeblich rechtskundige Freundin um Hilfe bei einer deutschen Aufenthaltsgenehmigung für Schwester und Neffen gebeten, die aus dem Irak nach Spanien geflohen waren – und dafür mindestens 23 000 Euro vorgestreckt. Mit mächtigen Freunden soll die angebliche Anwältin geprahlt haben. Eine wirkliche Gegenleistung kam nie. Wegen solcher betrügerischen Pseudo-Deals mit einem gesamten Schaden von 170 000 Euro saß die Ziehmutter und Drittfrau – inzwischen rechtskräftig zu 33 Monaten Gefängnis verurteilt – bereits in Untersuchungshaft und wartete auf ihren Prozess. Den irakischen Belastungszeugen, der auszupacken drohte und sein Geld zurückforderte, beschlossen Vater und Ziehsohn bei einem Balkongespräch umzubringen.

Eine Waffe, eine alte Parabellum, wurde in Frankreich besorgt, dazu vom Jüngeren ein Elektroschocker mit fünf Millionen Volt. Man wollte dem Iraker ein Verhandlungstreffen mit der Schuldnerin in einer Schwarzwaldklinik vorgaukeln, traf sich bei Mann Mobilia in Karlsruhe und steuerte in dessen Audi-Rechtslenker Richtung Dobel. Ob die Mordtat – womöglich wegen eines eskalierenden Streits und einer voreiligen Taser-Attacke des Jüngeren – doch anders ablief als geplant, sah das Gericht laut der Urteilsbegründung des Vorsitzenden Ulrich Polachowski als nicht erheblich an. Die beiden Anwälte des Schützen hatten ein Totschlags-Szenario gegen den schwergewichtigen, zitternd ausgestiegenen und sich wehrenden Fahrer nicht ausschließen wollen. Heimtücke und Verdeckung einer Straftat als Mordmerkmale hätten womöglich fragwürdig sein können. Dieser Sicht folgte die Große Strafkammer allerdings nicht.