Spielfreunde der Extraklasse im Maulbronner Kloster: Kammermusik mit Bernd Glemser, Julius Berger und Dimitri Ashkenazy
Maulbronn. Freundschaften sind ein Glück. Nicht nur für den Pianisten Bernd Glemser, den Maulbronner „Artist in Residence“, der befreundete Musikhochschullehrer zu Sommerkursen für Musikstudenten in die Klosterstadt und zum gemeinsamen solistischen Musizieren bei den Klosterkonzerten einlädt. So ist die Festivalreihe „Bernd Glemser und Freunde“ vor allem ein Gewinn für das musikalisch interessierte Publikum, das von den Spielfreunden mit facettenreichen Kammermusik-Konzerten der Extraklasse beschenkt wird.
Am Freitagabend war das Duo Glemser & Julius Berger mit Cello-Sonaten zu erleben, am Samstagabend Glemser & Dimitri Ashkenazy mit Klarinetten-Sonaten.
Cellist Julius Berger ist in der Region kein Unbekannter. Sein Spiel ist nach wie vor von leidenschaftlicher Musizierfreude geprägt. Der Ton seines Streichinstruments entfaltet sich energisch und kraftvoll, vibratoreich klangsatt auch in zarten Passagen. Die Linien sind klar konturiert, das Zusammenspiel mit Klavierpartner Glemser zeichnete sich durch Einfühlung und großes Einverständnis aus.
Die einleitend wiedergegebenen, transkribierten Johann-Sebastian-Bach-Choralbearbeitungen und -Kantaten regten zur meditativen Einkehr an – nicht zuletzt das in breiten Tempi vorgetragene Stück „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“ aus „Actus tragicus“ (BWV 106), wobei das Cello gleichsam in himmlischen Höhen die Leitmelodie auskostete. Deutlich im Vordergrund agierte das Klavier bei Beethovens kontrastreichen „12 Variationen über ein Thema aus Händels Judas Maccabäus“ (WoO 45), das auch aus dem Kirchenlied „Tochter Zion, freue dich“ sehr bekannt ist. Dann folgte Beethovens zweiteilige Cellosonate Nr.2 g-Moll (op. 5,2) mit fulminanter Interpretation: Emotional ausgreifende, weitgespannte Kantilenen, großflächige Dynamik, harte Punktierungen und im intensiven Dialog der beiden Instrumente pulsierende Passagen begeisterten die Zuhörer. Nach der Pause präsentierte das Solisten-Duo Franz Schuberts populäre Sonate a-Moll für Arpeggione (beziehungsweise Violoncello) und Pianoforte. Das im Cello-Part von einem mehrfach repetierten „Drehleier“-Motiv durchzogene Werk erfreute mit wienerischem Schubert-Charme.
Ein anderer zweiter Abend
Eine völlig andere musikalische Situation bestimmte den zweiten Abend. Die Wiedergabe von Klarinetten-Sonaten ist eine rare Angelegenheit. Dass sich zwei so exzellente Interpreten wie der renommierte Klarinettist Dimitri Ashkenazy und Glemser zusammenfinden, ist schon deshalb ein Ereignis. Ashkenazys Alleinstellungsmerkmal ist die mitteilsame Ruhe und Gelassenheit, die er beim Musizieren ausstrahlt – ein idealer Interpret für die beiden in Maulbronn gebotenen Klarinetten-Sonaten von Johannes Brahms in f-Moll (0p 120/1) und in Es-Dur (op.120/2). Er verkörperte mit seinem Stil die melodienselig-innige Verträumtheit und die leisen Erregungszustände der bezaubernden Alterswerke des Komponisten kongenial, während Glemser mit akkordisch wuchtigen Eingriffen für Spannung sorgte. Tondichtungen mit melancholisch feiner Klangrede fügten auch Niels Wilhelm Gades Fantasiestücke (op.43) und Carl Reineckes spätromantische Komposition „Introduzione ed Allegro appassionato“ dem Duo-Programm hinzu.
Zwei Kammermusikabende in Maulbronn, an die sich die jubelnden Besucher nachhaltig erinnern werden.
Dimitri Ashkenazy
Der in der Schweiz lebende Klarinettist Dimitri Ashkenazy wurde 1969 in New York geboren und ist isländischer Staatsbürger. Seit 1991 gibt er Konzerte in der ganzen Welt, so unter anderem in der Hollywood Bowl in Los Angeles, im Sydney Opera House, in der Londoner Royal Festival Hall und den Salzburger Festspielen. Dabei arbeitet er mit Orchestern wie dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin und dem Royal Philharmonic Orchestra sowie namhaften Künstlern wie Peter Maxwell Davies, Krzysztof Penderecki, Edita Gruberová, Barbara Bonney und Bernd Glemser. Ashkenazy hat zwei Klarinettenkonzerte uraufgeführt: 1994 das Concerto per Clarinetto e Orchestra „Piano Americano“ von Marco Tutino am Teatro alla Scala und 1997 „Passages“ für Klarinette und Orchester von Filippo del Corno. Dimitri Ashkenazy ist der Sohn des Pianisten und Dirigenten Vladimir Ashkenazy.