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Enzkreis -  27.06.2020
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Steht die Beratungsstelle „Essstörungen“ in Pforzheim vor dem Aus? Darum schlägt der Träger Alarm

Pforzheim. Nina fühlt sich zu dick. Nina will abnehmen. Der Wunsch wird zur Sucht, die Teenagerin landet in der Klinik. Hilfe findet die Familie bei der Beratungsstelle für Essstörungen von Plan B. Doch der Träger braucht Geld von Stadt und Enzkreis, um das Angebot zu erhalten.

Als ihr Vater Hilfe bei der Beratungsstelle für Essstörung an der Schießhausstraße sucht, wiegt Nina (Name geändert) noch 51 Kilo bei einer Größe von 1,61 Meter. Sie nimmt nur noch 500 Kalorien täglich zu, isst keine Nudeln, Kartoffeln, Käse oder Süßigkeiten mehr. Der Bodymassindex (BMI) liegt noch an der Grenze des Normalgewichts. Besorgniserregend ist aber für die Beraterin Anke Wohlbold, dass die 14-Jährige das klare Ziel hat, weiter abzunehmen und bereits Veränderungen wahrnimmt: ständiges Frieren, Übelkeit und Stimmungsschwankungen.

Ihr Zielgewicht ist 45 Kilo und sie nimmt weiter rasant ab. Die Eltern sind verzweifelt, werden mit in die Beratung eingebunden. Nina zeigt keine Einsicht. Als sie noch 40 Kilo wiegt, hat sie das Glück nach kurzer Wartezeit in die Klinik für Essstörungen nach Prien am Chiemsee aufgenommen zu werden. Nach 14 Wochen wird sie mit einem stabilen Gewicht einer mittlerweile 15-Jährigen entlassen. Doch aus Sicht der Expertin ist noch keine Heilung der Krankheit erfolgt, denn es handelt sich um eine Suchterkrankung. Mithilfe einer Therapeutin geht sie ihren Weg in ein normales Leben.

Seit vier Jahren kümmert sich Wohlbold beim Träger Plan B mit einer halben Stelle um jährlich zwischen 70 und 80 Klienten. Die meisten Ratsuchenden sind zwischen 15 und 27 Jahre alt, knapp die Hälfte stammt aus Pforzheim. Die Anlaufstelle bei Essstörungen hatte der Träger Plan B vom Netzwerk Looping übernommen. Sie berät Betroffene und Angehörige bei Magersucht, Ess-Brech-Sucht, Binge-Eating-Disorder (Essstörung mit Essattacken) und Adipositas (Esssucht mit Übergewicht). Wohlbold klärt Situation, unterstützt und hilft bei der Vermittlung in eine geeignete stationäre oder ambulante Therapie, zur Ernährungsberatung oder auch in Wohngruppen.

Von Beginn an bekam der Träger jährlich 8500 Euro vom Land, 10.000 Euro freiwillige Leistung vom Enzkreis – die Stadt beteiligte sich nicht. Auf Dauer sieht sich der Träger nicht in der Lage, das Defizit zu stemmen. Mit Blick auf die zu erwartenden Kürzungen im städtischen Sozialbereich und die fehlende finanzielle Unterstützung durch die Stadt sieht es nicht gut aus für die Anlaufstelle bei Essstörungen.

Am 1. Oktober 2019 hatte das Pforzheimer Bündnis 90/Die Grünen deshalb bei der Verwaltung einen Antrag auf dauerhafte finanzielle Unterstützung gestellt. Sozialbürgermeister Frank Fillbrunn will sich im nächsten Fachausschuss am 16. Juli dazu äußern.

Die Beratungsstelle ist telefonisch erreichbar unter (07231) 9 22 77 60.

Mehr über die Lage der Beratungsstelle lesen Sie am Samstag, 27. Juni, in der „Pforzheimer Zeitung“ oder im E-Paper auf PZ-news.

Autor: mof