Syrer wegen Terrors verurteilt - War er ein Scharia-Polizist?
Stuttgart/Bad-Wildbad. Wegen Mitgliedschaft in der Terrororganisation Dschabhat al-Nusra hat das Stuttgarter Oberlandesgericht einen 37-Jährigen zu vier Jahren Haft verurteilt. Der Staatsschutzsenat sah es am Mittwoch als erwiesen an, dass der Syrer Hamad A. sich 2012 der Vereinigung angeschlossen hatte und innerhalb kurzer Zeit in eine führende Position aufgestiegen war. Er wurde Anfang August 2018 in Bad Wildbad festgenommen.
Mann bestreitet Mitgliedschaft
Der Mann bestritt, Mitglied der Terrorgruppe gewesen zu sein, wie ein Gerichtssprecher mitteilte. Mit dem Urteil blieb das Gericht unter dem Antrag der Bundesanwaltschaft. Sie hatte sechs Jahre Haft gefordert, die Verteidigung zwei Jahre. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Nach Auffassung des Gerichts hatte der Mann als Leiter der „Scharia-Polizei“ in der syrischen Stadt Tabka Befehle der „Scharia-Richter“ ausgeführt. Scharia ist die arabische Bezeichnung für islamisches Recht und beruft sich auf den Koran und die überlieferte Lebenspraxis des Propheten Mohammed. Bei den Befehlen habe es sich um Verhaftungen, das Bestrafen von Dieben und Absichern öffentlicher Auspeitschungen gehandelt. Zugleich sei er für die Bewachung des eroberten Euphrat-Staudammes zuständig gewesen. Der Staudamm ist wichtig für die Strom- und Wasserversorgung weiter Teile Syriens.
Unauffällig verhalten
Die Hauptverhandlung habe keine Anhaltspunkte für eine radikalislamische Einstellung des Mannes in Deutschland ergeben, teilte der Gerichtssprecher weiter mit. Im Mai 2014 war der Mann in die Türkei geflohen und kam dann im November 2015 mit Frau und zwei Kindern nach Deutschland. Nach seiner Festnahme bei einem großen Polizeieinsatz in Bad Wildbad wurde vor fast einem Jahr auch seine Wohnung durchsucht. Seitdem saß er in Untersuchungshaft.
Aus zuverlässigen PZ-Quellen war zu hören, dass sich der 36-jährige Syrer in Bad Wildbad unauffällig verhalten habe. Er sei ein „Mensch wie du und ich“ und auch immer nett zu Kindern gewesen, hieß es. Man hätte nicht gedacht, dass er Mitglied in einer terroristischen Vereinigung sei. In Baden-Württemberg stießen Ermittler immer wieder auf solche Fälle. In Stuttgart gab es 2018 vor dem Oberlandesgericht einen Terrorprozess gegen vier Syrer, denen der Mord an 36 Mitarbeitern des syrischen Assad-Regimes vorgeworfen wurde. Ein wichtiger Tatort lag in der der Nähe von Tabka – und damit in der syrischen Region, in der auch der in Bad Wildbad verhaftete Hamad A. aktiv gewesen sein soll.
Verdächtigen in Klinik gefasst
Im September 2016 war ein damals 24 Jahre alter Syrer, der offenbar wenige Wochen zuvor ein Zimmer in einer Containersiedlung für Flüchtlinge in Rutesheim bezogen hat, von der Polizei festgenommen worden. Die Festnahme erfolgte, als der Terrorverdächtige zu einer medizinischen Behandlung in einer Klinik in Bad Wildbad unterwegs war. Er soll vor seiner Flucht nach Deutschland für die Al-Kaida-nahen Terroristen von Dschabhat al-Nusra gekämpft haben. „Hinweise auf mögliche Anschlagspläne in Deutschland gab es zu keiner Zeit“, betonten die Ermittler damals kurz nach der Verhaftung.
