Gemeinden der Region
Pforzheim -  07.06.2023
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Was den Bürgerverein in Dillweißenstein auch 50 Jahre nach seiner Gründung noch umtreibt

Pforzheim. Mit einem Gerücht, das sich im Stadtteil bis heute wacker hält, räumt der Vorstand des Dillweißensteiner Bürgervereins gleich zu Beginn des Gesprächs auf. Nicht die Westtangente sei vor 50 Jahren Anlass für die Gründung gewesen, sondern die damals drohende Schulschließung. Und dennoch zählt die Umgehungsstraße zu den Dauerbrennern, die den Verein noch immer beschäftigen. Drängende Themen gibt es gerade genug.

„Die Tangente kam, aber diejenigen, die sich besonders dafür eingesetzt hatten, haben das Nachsehen“, stellt die Vorsitzende Petra Bösl fest. Die Fortführung in Richtung Nagoldtal, werde er nicht mehr erleben, ist sich ihr Stellvertreter Jürgen von der Ehe (65) sicher. Wieder und wieder hatte sich der Verein für die Entlastung der Hirsauer Straße verkämpft, eine Verkehrszählung angesetzt und am Ende ein Nachtfahrverbot für Lastwagen durchgeboxt. Ruhiger ist es im Tal zuletzt mit Tempo 30 geworden.

Renovierung steht an

Auch die Zukunft der Papierfabrik treibt den Verein, der sich am 30. April 1973 gründete, um. Es ist ruhig geworden um den Investor, mit dem man sich unlängst noch über dessen Pläne ausgetauscht hatte. So froh Bösl, selbst Leiterin eines Kindergartens, über die Eröffnung der Betreuungseinrichtung am Ortseingang ist: „Es ist schon traurig, dass wir eine Grünfläche opfern müssen, wo wir hinten im Tal eine riesige Brachfläche haben.“ Mit der gesetzlich verpflichtenden Schulkindbetreuung 2026 stelle sich erneut die Platzfrage. Aktuell sind die Schüler neben der Turnhalle untergebracht.

360 Mitglieder zählt der Bürgerverein Dillweißenstein heute. Vor 25 Jahren waren es noch 450 gewesen, 1980 sogar 600.

Glücklich zeigt sich der Vorstand, dass Dillweißenstein als Sanierungsgebiet ausgewiesen wurde. „Die Westtangente war da lange eine Bremse“, so die 55-Jährige. Man habe stets erst abwarten wollen. „Egal, ob sie nun kommt, an der Hirsauer Straße muss dringend etwas passieren.“ Einige Gebäude seien stark renovierungsbedürftig. Auch auf eine entsprechende Ufergestaltung hoffen die Mitglieder in diesem Zuge. Und darauf, dass die Übernahme des Nagoldbads durch die Stadtwerke Pforzheim klappt.

„Schon zu meiner Zeit ging es auch um die Westtangente. Nach 50 Jahren ist das Thema noch immer nicht erledigt. So arbeiten Politik und Verwaltung, dass man heute erst im Brötzinger Tal ist. Die Verbindung ins Nagoldtal erlebe ich nicht mehr“,
sagt Gründungsmitglied Rudi Haas (85), er übernahm den Vorsitz 1974 für zehn Jahre.

Überhaupt versteht sich der Bürgerverein, der sein Jubiläum am Freitag, 16. Juni, ab 18 Uhr in der Nagoldhalle feiert, als Sprachrohr zwischen Bürgern und Verwaltung. Bis hin zu den Anrufen, warum die gelbe Tonne mal wieder nicht geleert worden sei. „Manchmal ist der Vorsitz zeitintensiver als der Stadträtinnen-Job“, gesteht Bösl. Beisitzerin Maite Maday Sancho wertet die Anrufe auch als Zeichen dafür, „dass die Bürger Vertrauen in das haben, was wir tun“. Mit ihren 27 Jahren bringt sie frische Ideen in den Vorstand. Neue Impulse sollen auch die 60 von aktuell 360 Mitgliedern geben, die durch eine Werbeaktion dazugewonnen werden konnten.

Manches sei allerdings auch deutlich schwieriger geworden als früher. Veranstaltungen zu stemmen, zähle etwa dazu. Das gehe oft nur gemeinsam mit anderen, der Belremgilde etwa oder dem Förderverein des Bads. So wie zuletzt beim Maibaumstellen. Der Bürgerverein habe stets gute Kontakte zu anderen Vereinen gepflegt, erinnert sich auch Bösls Vorgängerin Dietlinde Hess. Es sei nie bloß um den Stadtteil, sondern immer auch um die Stadtentwicklung im Gesamten gegangen. Vermutlich wurde der Grundstein auch schon viel früher gelegt. So gibt es gleich zwei Erwähnungen eines Bürgervereins aus den 1920er-Jahren, die dies nahelegen.

Traum vom Straßenfest

Als Highlight bezeichnet der Verein den Faschingsumzug durch den Stadtteil. Am liebsten würde er auch das einstige Straßenfest wiederbeleben, das bis in die 1980er-Jahre begeisterte. „Das war für Pforzheim der Renner“, erinnert sich Rudi Haas, als Vorsitzender damals mitverantwortlich.

„Der Bürgerverein ist seit seinem Bestehen ein wichtiges Sprachrohr für die Bevölkerung hier in Dillweißenstein. Ich freue mich, Teil dieser Geschichte sein zu dürfen“,
sagt Dietlinde Hess, die fast 38 Jahre lang im Vorstand war, 2001 übernahm sie den Vorsitz.

„Da bräuchte es heute sicher mehr Vorlauf“, so Maday Sancho. „Und vielleicht ginge es nicht in der Größe“, ergänzt von der Ehe. Daneben will man sich für einen Bahnhaltepunkt beim Friedhof sowie ein Quartiersmanagement im Rahmen des Sanierungsgebiets einsetzen. Die Begegnungsstätte sei für Letzteres nicht optimal, so Bösl. Es gelte vor allem, die Zugezogenen zu integrieren, um für eine Gemeinschaft zu sorgen. Der Zwist zwischen Dillstein und Weißenstein spiele indes heute keine Rolle mehr – eigne sich höchstens noch für einen Scherz. Im Vorstand seien beide Teile vertreten. Zumal sich die Maßnahme am einen Ende auf das andere auswirke. Die letzte Begehung fand so auch in Weißenstein statt.

Christbaum und Osterhase

Lob gibt es für OB Peter Boch. Seit der Begehung werde man ernst genommen, so die Grüne-Liste-Stadträtin. Da brauche es gar nicht so viel: Ein Weihnachtsbäumchen auf der Brücke, Osterhasen, die nicht vor dem Ortseingang aufhören zu hoppeln. Überhaupt will der Verein im Jubiläumsjahr präsenter sein. Hierfür möchte man das Dillsteiner Türmle beleben. Nicht alles ist heute besser: Man habe vieles verloren, bedauert der Vorstand. Das Rathaus wurde verkauft, das Mineralienmuseum geschlossen. „Der Polizeiposten ist in Büchenbronn, den Pfarrer teilt man sich mit anderen Stadtteilen“, so Bösl. Da fehle die persönliche Bindung. „Wir müssen darauf achten, dass wir behalten, was wir haben.“

Wer gerne bei der Jubiläumsfeier dabei sein möchte, meldet sich per E-Mail an mail@buergerverein-dillweissenstein.de.

Autor: tel