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Neuenbürg -  23.07.2020
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Wenn ein Flugzeugtank zum Paddelboot wird: Ausstellung im Schloss Neuenbürg über „Upcycling“:

Neuenbürg. Skurril, makaber – und heute kaum mehr vorstellbar: in einem Stahlhelm Nudeln kochen oder in einem alten Flugzeugtank über den See paddeln. In der Nachkriegszeit hatten die Leute nicht viel – dafür aber massenhaft Müll.

Wie aus diesem mit ein bisschen Fantasie neue Dinge entstehen können, wissen die Leute also nicht erst seit dem modernen Umwelt-Trend „Upcycling“, bei dem aus Abfallprodukten wie Plastiktüten und Weinkorken Taschen und ganze Möbel entstehen. Den zeitgeschichtlichen Rundumblick über diese Improvisationskunst spannt die neue Ausstellung im Schloss Neuenbürg „Echt. Glanz. Stücke“ von Schlossherrin Jacqueline Maltzahn-Redling und dem Karlsbader Grafiker Michael Kowalik.

Eine erfreuliche Neuheit: Erstmals zeigen auch Studenten der Hochschule Pforzheim und des KITs in Karlsruhe in Neuenbürg ihre „Müll-Kunst“. Auch Regionalität ist schließlich umweltbewusst. Schon der erste Raum ist eine Wucht, denn auf den ebenfalls wiederverwertbaren Vitrinen liegt ein Teil Geschichte, der berührt. Ein stolzer Wehrmachtsstahlhelm wird nach dem Krieg ironischerweise zum praktischen Jaucheschöpfer.

Aus einer alten Coca-Cola-Dose basteln sich Kinder im Sudan, auf Madagaskar oder in der Elfenbeinküste kleine Spielzeug-Elefanten. Aber auch detailgetreue Kriegsfahrzeuge mit Maschinengewehr entstehen dort. Die metallenen, bunten Spielzeuge erzählen immer die Geschichte ihrer Entstehung. Mit den verschiedenen Funktionen lässt sich spielen – und Maltzahn-Redling und Kowalik wissen genau, wie. „Wir wollen auch Kontraste setzen“, sagt Kowalik: „Diese Kinder sind nicht mit unseren Kindern vergleichbar, die verwöhnt sind.“

Mit an der Produktion beteiligt sind auch die Studentin Mariella Sofia Holzmüller (KIT, Kunstgeschichte) und die junge Designerin Sonja Keppler, die erst vor kurzem ihren Abschluss an der Hochschule Pforzheim absolviert hat. Holzmüller hat in monatelanger Kleinstarbeit Taschen aus alten Plastiktüten und Teppiche aus alten Jeans hergestellt – alles ehrenamtlich, um in Neuenbürg nebenbei Einblicke in das Kuratieren zu bekommen.

Keppler präsentiert „Widerstandshelme“ – Hüte mit bunten Kabeln und elektronischen Widerständen nach Tradition von Ureinwohnern verziert. Auch hier trifft das Alte auf das Neue. Genau wie junge talentierte Kunstschaffende aus der Region auf das traditionsreiche Schloss Neuenbürg. Das passt so gut zusammen, dass Maltzahn-Redling auch in Zukunft öfter mit Studenten zusammenarbeiten will.

Ausstellung ab Sonntag, 26. Juli, bis 6. Januar 2021. Eintritt 4 Euro, Familien 12 Euro.

Autor: heg