Gemeinden der Region
Mühlacker -  28.02.2022
Artikel teilen: Facebook Twitter Whatsapp

Wie alt ist das abbruchreife Herzenhäusle in Lienzingen wirklich?

Mühlacker-Lienzingen. Die Erhaltung des historischen Ortskerns von Lienzingen dürfe nicht nur die eingetragenen Kulturdenkmale zum Maßstab nehmen, fordert der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Gemeinderat von Mühlacker, Günter Bächle, in einer Pressemitteilung, sondern wirklich die Gesamtanlage. Notwendig sei deshalb, bei geplanten Eingriffen in den Bestand nicht nur nach dem 2012 vorgelegten denkmalpflegerischen Werteplan zu entscheiden, sondern den Einzelfall zu untersuchen.

Diese Lehre sei aus dem Fall Friedenstraße 12 zu ziehen.

Vorbildlich nannte er die Dokumentation des Herzenhäusles. Lienzingen habe, so die CDU-Fraktion, 85 Kulturdenkmale. Das Ortsbild sei noch geprägt von Fachwerkbauten des 16. bis 18. Jahrhunderts. Lienzingen gelte als eines der wenigen sogenannten Etterdörfer, die im deutschen Raum noch vorhanden sind.

Bestand dokumentiert

Zwar sei die detaillierte Ortsanalyse mit umfangreicher Untersuchung von Bausubstanz und Stadtstruktur vor gut zehn Jahren erfolgt, so Bächle. Doch die jetzigen Erfahrungen um den fast beendeten Abbruch des Gebäudes Friedenstraße 12 zeigten, dass nicht ein Beschluss des Gemeinderats Maßstab für den Abbruch sein könne, sondern eine vorherige genaue Untersuchung des Gebäudes durch Fachleute.

„Manches Gebäude ist unscheinbar und marode, deshalb auch nicht mehr zu halten, wie jetzt das Herzenhäusle in Lienzingen. Doch zeigte die zufällig nähere Beschäftigung mit dem Objekt, dass es wider Erwarten ortsgeschichtlich bedeutend ist“, so der Lienzinger Stadtrat. Er freue sich, von Oberbürgermeister Frank Schneider und Bürgermeister Winfried Abicht die notwendige Unterstützung erhalten zu haben, den Bestand des altersschwachen Bauwerkes zu dokumentieren.

Das geschieht in zwei Schritten: Einen halben Tag brauchte dazu Tilman Riegler. Er nahm die Maße des Gebäudes mit Hilfe von 3D-Scanner und Tachymeter auf. Wie alt es wirklich ist, will nun Tilman Marstaller mit Hilfe der Dendrochronologie, einer Datierungsmethode, die sich an den Jahresringen im Holz orientiert, ermitteln.

Der Bauforscher und Archäologe ist Lehrbeauftragter am Institut für Ur- und Frühgeschichte sowie für Archäologie des Mittelalters an der Universität Tübingen. Er nahm am Freitag Holzproben, die nun in einem Labor untersucht werden, um anhand der Jahresringe das mögliche Baujahr zu erfahren.

Alte Akten geben Auskunft

Letztlich sei dies aber ein Zufallstreffer gewesen, weil die gemeinsamen Recherchen von Stadtarchivarin Marlis Lippik und ihm gezeigt hätten, dass das Häusle nicht in den 1930er-Jahren errichtet worden sei, wie lange Jahre vermutet, sondern schon 1842 gestanden habe. Das sei unter anderem den Akten der damaligen Feuerversicherung und auch der Urkarte des Dorfes zu entnehmen gewesen. Es habe in diesen beiden Jahrhunderten als Heuhütte, danach als Töpferei und schließlich als Wohnraum für Tagelöhner gedient.

Marstaller hatte vor mehr als einem Jahrzehnt das Alter von insgesamt 135 Gebäuden im Ortskern von Lienzingen erhoben – weder das Herzenhäusle noch das Gebäude Friedenstraße 12 standen damals auf der Liste, so zitiert Bächle den Experten aus Tübingen. Die Ergebnisse für das Häusle am Bachweg würden in einigen Wochen vorliegen. Allerdings zeichne sich schon ab, dass das Gebäude mehrmals umgebaut und erweitert worden sei.

Aber ein „Kern-Haus“ sei wohl vorhanden, so Marstaller. Bald werde es einen Bericht geben, der öffentlich vorgestellt werden soll. Das Haus selbst stehe dann nicht mehr, denn der Abbruch beginne bald.

Autor: pm