Gemeinden der Region
Birkenfeld -  27.11.2024
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Windkraft-Streit von Birkenfeld wirkt nach: Zoff um Blitz-Abschied aus Gemeinderat

Die Konflikte verschärfen sich in Birkenfeld nach dem Bürgerentscheid über Windkraftanlagen weiter: Der sehr schnelle Abschied zweier Gemeinderäte der Unabhängigen Wählerschaft Birkenfeld (UWB) aus dem im Juni neu gewählten Gremium löst nach der Dankesrede des Bürgermeisters ein mittelschweres Beben aus.

Andreas Weizenhöfer und Bernd Vollmer (markiert, von links) haben den neuen Birkenfelder Gemeinderat, der in dieser Besetzung am 23. Juli bis 2029 auf sein Amt verpflichtet worden ist, ein Vierteljahr später schon wieder verlassen.
Andreas Weizenhöfer und Bernd Vollmer (markiert, von links) haben den neuen Birkenfelder Gemeinderat, der in dieser Besetzung am 23. Juli bis 2029 auf sein Amt verpflichtet worden ist, ein Vierteljahr später schon wieder verlassen. Foto: Wewoda

Die Gräben im Gemeinderat von Birkenfeld haben sich noch einmal deutlich vertieft: Sie verlaufen zwischen den Windkraft-Befürwortern aus CDU, SPD und Unabhängiger Grüner Liste Birkenfeld (UGLB) auf der einen Seite und der windkraftkritischen Opposition der Unabhängigen Wählerschaft Birkenfeld (UWB) auf der anderen. Diese steht allgemein der Bürgerinitiative Weitblick nahe.

Prominente Vertreterin der Bürgerinitiative Weitblick nimmt am Ratstisch Platz

Mit Yvonne Gauß als nachrückender Gemeinderätin für den scheidenden Bernd Vollmer nimmt nun sogar eine prominente Vertreterin der Bürgerinitiative für die UWB am Ratstisch Platz, was nicht unbedingt zur Entspannung der Atmosphäre im Gremium beigetragen haben dürfte. Neben Vollmer, der die Verlegung seines Hauptwohnsitzes nach Pforzheim als formal nach der Gemeindeordnung zwingenden Grund für sein Ausscheiden angegeben hat, beendet auch Fraktionschef Andreas Weizenhöfer sein Ehrenamt im Dienst der Allgemeinheit, genauso abrupt ein gutes Vierteljahr nach der Verpflichtung: Weizenhöfer beruft sich auf einen Paragrafen der Gemeindeordnung, der es zulässt, nach mindestens zehnjähriger Tätigkeit auszuscheiden.

Die Zehn-Jahres-Marke hat Weizenhöfer zum Ende der Amtsperiode im Frühjahr gerade erfüllt. Warum er sich trotzdem zur Wahl aufstellen und noch einmal verpflichten ließ? Der PZ nennt er unvorhersehbare „private und persönliche Gründe“:

Andreas Weizenhöfer, bisheriger UWB-Fraktionschef: „Ich könnte meinem Amt nicht mehr so nachkommen, wie es meinen Ansprüchen genügt. Ich habe ganztägig eine Kindertagespflege übernommen.“

Auf Facebook wirbt Weizenhöfer, einstiger Gründer einer Tanzschule und des „Eventhauses“ Löwen, nun für die „Kindertagespflege Löwenzähnle“.

Die Entscheidung zur beruflichen Veränderung – 2023 hatte er sich als Privatier bezeichnet –, sei erst im August gefallen. Dies sei aber fraktionsübergreifend vorab besprochen gewesen, so Weizenhöfer. Um so mehr ärgerte er sich nach der Verabschiedung mit Dankesrede von Bürgermeister Martin Steiner über ein Statement von CDU-Fraktionschef Martin Gnadler, dem sich SPD und UGLB inhaltlich anschlossen. So meinte Gnadler zum dreimaligen UWB-Verzicht: „Dass so kurzfristig drei Personen die Flinte ins Korn werfen, ist verwunderlich.“ Die erste UWB-Nachrückerin hatte mit ärztlichem Attest belegt, „anhaltend krank“ zu sein.

Um Schaden von der Gemeinde abzuwenden, werde die CDU laut Gnadler der Umbesetzung zustimmen – wie der ganze Rat. Sein Vorwurf: Dass die drei zur Wahl antraten, habe die Zusammensetzung des Rats direkt beeinflusst. „Wurden die drei Kandidaten nur zum Stimmenfang aufgestellt?“, so Gnadler. Für Weizenhöfer ist der Vorwurf „eine Sauerei“. Hintergrund: Die UWB hat bei der Wahl einen Sitz dazugewonnen, obwohl drei größere Stimmen-Zugpferde altershalber nicht mehr zur Wahl antraten. Nun hat der nicht ins Gremium gewählte Florian Eisele von der CDU am Ende mit 1446 Stimmen den größeren Wählerzuspruch als Benjamin Maier (1370), der nun für die UWB als „Ersatzperson“ am Ende doch am Ratstisch Platz nimmt.

Remchingen: Empörung über Blitz-Rückzug in Remchingen

Die Scheinkandidatur von Dr. Lorenz Praefcke hat in Remchingen hohe Wellen geschlagen. Der 85-Jährige war bei der Kommunalwahl für die Bürgerliste angetreten und teilte am Wahlabend noch mit, das Amt als Gemeinderat auch antreten zu wollen. Kurz darauf machte er jedoch einen Rückzieher: Aus Altersgründen verzichte er auf seinen Sitz im Gremium und mache Platz für den Nachrücker – und das, noch bevor der neu gewählte Gemeinderat seine Arbeit aufgenommen hatte. Die anderen Fraktionen waren empört und sahen in seiner Kandidatur einen bloßen Schachzug zum Stimmenfang. Schließlich sei ihm gerade sein Alter schon vor der Wahl hinlänglich bekannt gewesen. Obwohl man nach Rechtslage ein Ausscheiden aus Altersgründen akzeptieren muss, verweigerten sie dem früheren Allgemeinmediziner mehrfach das Ausscheiden aus dem Amt. Erst als Praefcke die Begründung für seinen Schritt änderte und anhaltende Krankheit als Ursache angab, lenkten die anderen Fraktionen ein. Sabine Mayer-Reichard

Ein Kommentar von PZ-Redakteur Frank Wewoda:

Nur zum Schein angetreten?
Legen Gemeinderäte wenige Wochen nach Auszählung ihr Amt nieder oder schlagen gewählte Kandidaten dieses gleich aus, hat das naturgemäß ein G‘schmäckle.

Sowohl in Remchingen als auch in Birkenfeld gibt es Vorwürfe demokratieschädlichen Stimmenfangs mittels Scheinkandidaturen. Man nehme ortsbekannte Persönlichkeiten auf die Listen, denen es an ähnlich stimmträchtigen Zugpferden sonst eher mangelt. Man lasse sie dann mit respektablen bis herausragenden Ergebnissen bei der Wahl triumphieren – um wenige Wochen später das absolut nicht vorhersehbare Ende ihrer politischen Karriere zu verkünden. In Remchingen verweigerte der Gemeinderat wochenlang sogar den formalen Vollzug der zweifelhaften Personalrochade um Dr. Lorenz Praefcke.

In Birkenfeld wird der diesbezügliche Unmut nicht formal umgemünzt, trifft aber drei Vertreter der Unabhängigen Wählerschaft Birkenfeld (UWB) mit voller Wucht: Ihnen haben die Bürger am 9. Juni mit 7350, genau 7,33 Prozent aller Stimmen, ihr Vertrauen geschenkt. Doch dieses in teils scharfer politischer Konkurrenz errungene, auf fünf Jahre angelegte Amt wollen sie nun nicht (mehr) haben. Das hat auf jeden Fall ein G’schmäckle bei der UWB, die der Unabhängigen Grünen Liste einen Sitz abgeknöpft hat. Der Verdacht von Stimmenfang liegt nahe. Der scheidende UWB-Fraktionschef Andreas Weizenhöfer, gewählt mit fast 4000 Stimmen, muss sich diesbezüglich kritische Fragen gefallen lassen. Dass aber bei zwei weiteren erfolgreichen Kandidaten seiner Liste überraschend eingetretene Gründe dazu führen sollen, dass sie nicht mehr Gemeinderat sein oder werden können, ist – wenn keine Wählertäuschung –, zumindest eines: eine große Wählerenttäuschung.