Gemeinden der Region
Aufreger -  31.08.2020
Artikel teilen: Facebook Twitter Whatsapp

Zugriff im Benckiserpark in Pforzheim: Drogen, Randale, Angriffe auf Polizei – PZ geht mit auf Streife

Pforzheim. Vorbei an spielenden Kindern und fröhlich plaudernden Eltern, hastet ein Trupp von Bereitschaftspolizisten die Treppe hoch zum Eingangsbereich der Benckiserhalle. Zwei junge Afrikaner riechen den Braten. Sie lassen das, was gerade noch in ihren Händen kursierte, fallen. Zu spät.

Das Marihuana kann einem der Männer zugeordnet werden. Nach einer Leibesvisitation, bei der die Rucksäcke, Schuhe und Socken, aber auch die Fahrräder der Verdächtigen inspiziert werden, wird der Besitzer der Drogen abgeführt und zur Aufnahme der Personalien zum Mannschaftswagen gebracht.

„23-Jähriger verletzt Einsatzkräfte“, „Randale in Pforzheim“, „Polizisten beinahe überfahren“, „Erneut zwei verletzte Polizisten bei Einsatz im Benckiserpark“, „Körperverletzung und Widerstand gegen kontrollierende Polizisten“: Diese Schlagzeilen der PZ aus den zurückliegenden Wochen führen vor Augen, wie heftig sich jüngst in der Goldstadt die Gewalt Bahn brach und wie wenig Aggressoren auch vor Attacken gegen Ordnungshüter zurückschrecken. Als Reaktion darauf hat die Polizei ihre Präsenz verstärkt und fährt überraschende Einsätze – so wie an diesem frühen Abend, der gleich mit einem erfolgreichen Zugriff beginnt.

Eine großer Herausforderung für die Polizei

Der Benckiserpark sei einer der „neuralgischen Punkte“, zu denen aber etwa auch der Schloßpark gehört, berichtet Matthias Kern, der stellvertretende Leiter des Polizeireviers Süd. Auf „mehrere Vorfälle“ reagiere man gemeinsam mit dem Revier Nord und mit Unterstützung durch das Präsidium Einsatz mit „speziellen Maßnahmen in der Kernstadt“. Ursachen für Eskalationen seien oft Drogen und Alkohol: „Im Rausch kommt es zu Streitigkeiten und Gewalt.“ Für die Beamten eine große Herausforderung. „Man muss auf der Hut sein, die Ausrüstung muss passen, man muss vorbereitet und darf nicht leichtfertig sein.“ Ob Corona und die dadurch bedingten Einschränkungen der individuellen Freiheiten das Aggressionspotenzial weiter in die Höhe treibt? Gut möglich, sagt laut Kern die Wissenschaft. Klar, der Benckiserpark sei schon immer „auffällig“ gewesen, „aber nicht in dieser massiven Form“.

Der Gang durch die zu dieser Stunde äußerst belebte Grünanlage zwischen Westlicher und Zerrennerstraße führt die diffizile Melange vor Augen. Hier der große Spielplatz mit den tollenden Kindern und die zahlreichen Familien, die an der frischen Luft den Sommer genießen wollen. Da die jungen Halbstarken, Drogenkonsumenten und -dealer sowie die eher ältere Klientel aus dem Trinkermilieu.

Anwohner in Sorge

Die Krawallnacht vom Juni in Stuttgart und die danach aufflammenden Diskussionen um die Strategie der Einsatzkräfte hat der Polizei die Arbeit nicht leichter gemacht. Der Vorwurf des Racial Profiling, also der gezielten Kontrolle von Menschen anderer Herkunft, erscheint bei diesem Rundgang absurd. „Wen soll ich anderes kontrollieren?“, fragt Kern. Tatsächlich sind zumindest auf den ersten Blick im gut besuchten Park ausschließlich Menschen von erkennbar ausländischer Herkunft auszumachen. Und das Gros findet diese verstärkte Polizeipräsenz gut, wie ein Syrer im PZ-Gespräch berichtet. Vor 32 Jahren sei er als Flüchtling hierhergekommen, „aber wir passen uns an“. Anders als andere, meint er und blickt dem Abgeführten nach.

„Jeden zweiten Tag boxen die sich und kiffen hier.“ Es gebe im Benckiserpark „einfach zu viele Gruppen: Iraker, Syrer, Schwarze, Muslime und Christen – da reicht ein falsches Wort.“ Früher sei das „so ein schöner Park“ gewesen. „Heute trauen sich die Kinder kaum noch heraus.“ Eben deshalb sei man vor Ort, erläutert Polizeisprecher Frank Weber dem Anwohner. Man reagiere auf negative Erfahrungen, um die Lage zu verbessern und das Sicherheitsgefühl zu steigern. Auch er selbst, berichtet der Syrer, werde hier nun „dauernd kontrolliert: Das macht keinen Spaß, aber ich verstehe es.“

Wie ein Warnschuss

Der anfängliche Zugriff wirkt wie ein Warnschuss. Beim weiteren Gang durch den Park verhalten sich die Besucher, die sich mit etlichen Uniformierten konfrontiert sehen, auffallend ruhig. „Guten Abend“, murmelt ein älterer bärtiger Mann, der auf einer Bank sitzt, neben sich Bier und Schnaps. Umfragen belegten, dass die Polizei in Deutschland immer noch ein recht hohes Ansehen genieße, berichtet Kern. Es gebe – auch von der Politik und gerade nach den Vorfällen von Stuttgart – etliche Solidaritätsbekundungen. Doch da ist eben auch die Kehrseite.

„In jüngster Zeit gibt es extrem viele verletzte, teils sogar

dienstunfähige Kollegen.“ Hauptkommissar Frank Weber,

Sprecher des Pforzheimer Polizeipräsidiums

Bei der Gewalt gegen Polizeibeamte gehe „die Kurve seit Jahren nach oben“, sagt Weber, in jüngster Zeit seien „extrem viele verletzte, teils sogar dienstunfähige Kollegen“ zu beklagen. Kern sieht einen generell bedenklichen Trend: „Es scheint schick geworden, gegen die Polizei zu sein.“ Früher, wenn man auf Streife sonntagmorgens über die Dörfer gefahren sei, hätten Passanten noch zum Gruß den Hut gelüpft. Heute müsse man „froh sein, wenn man nicht den Stinkefinger gezeigt bekommt“. Es sei sein Wunsch – „wenn es auch ein frommer ist“ –, diese Spirale irgendwie zu stoppen.

Weiter an die Simmlerstraße

Die PZ darf die Beamten noch zu einer Kontrolle an die Simmler-straße begleiten. Auf dem Weg dorthin weisen Kern und Weber einen Radfahrer auf Abwegen und einen Fußgänger, der bei Rot über die Zerrennerstraße gehen will, in die Schranken. Die Kollegen der Bereitschaftspolizei ziehen ganz nebenbei noch einen Rollerfahrer ohne Führerschein aus dem Verkehr. Hinterm Hebel-Gymnasium an der Enz sitzen fünf junge Migranten. Als sie die nahenden Beamten erspähen, stehen sie hastig auf von ihrer Bank, umkreisen sich hektisch, erwägen offensichtlich, wegzurennen, bleiben dann aber doch. Ob auch hier Drogen flogen? Polizisten steigen die Böschung hinunter und suchen nach möglicherweise Weggeworfenem.

Dieses Mal ohne Erfolg. Auch der Verdacht, dass sich unter den jungen Männer einer befinden könnte, gegen den ein behördliches Aufenthaltsverbot vorliegt, erhärtet sich bei der Aufnahme der Personalien nicht. Bei solchen Kontrollen gebe es zwei Schwerpunkte, so Weber: die abschreckende Präsenz wie bei diesem Einsatz, oder aber die Strafverfolgung, bei denen Zivilkräfte Tätern eher auf die Schliche kommen. Der Mix sei entscheidend, ebenso die Flexibilität bei Einsatzzeiten und -orten. Die ständige Anwesenheit habe im Vorjahr nach ähnlich kritischer Lage am Leo (die PZ berichtete) die dortigen Vorfälle fast auf Null heruntergefahren, sagt Weber. Kern ergänzt: „Wir wollen Taten verhindern, nicht nur verdrängen, aber genau das ist die Schwierigkeit.“ Deshalb werde die Präsenz bis auf Weiteres hochgehalten. Damit sich die Bürger in ihrer Stadt beschützt und sicher fühlen.