Heimsheim
Enzkreis -  30.10.2025
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Großkreise: FDP-Vorschlag stößt auf Skepsis in der Region

Enzkreis. Der Vorstoß der FDP, die Landkreise in Baden-Württemberg in ihrer aktuellen Form aufzulösen, hat auch in der Region aufhorchen lassen (die PZ berichtete). Ein Positionspapier vom Parteichef und Pforzheimer Abgeordneten Hans-Ulrich Rülke hat die Pläne offenbart. Die Liberalen hatten als zentrale Forderung ihres Wahlprogramms zur Landtagswahl im März 2026 beschlossen, alle Regionalverbände und Regierungspräsidien im Land abzuschaffen.

Kreistag Haushaltssitzung
Abstimmung im Enzkreis-Kreistag - wie groß so ein Sitzungssaal nach den Plänen der FDP wohl sein müsste? Foto: Röhr

Nun wird es konkret: Demnach sollen die 44 Land- und Stadtkreise in 13 größeren Verwaltungseinheiten aufgehen, den sogenannten Groß- oder Regionalkreisen. Diese sollen den gleichen regionalen Zuschnitt haben wie die zuvor aufgelösten zwölf Regionalverbände. Das soll dafür sorgen, dass es ab 2031 keine Regierungspräsidien mehr braucht. Deren Aufgaben sollen teils von den Großkreisen, teils von Landesministerien übernommen werden. Ziel: Ressourcen sollen gebündelt und Doppelstrukturen abgebaut werden, um Stellen und Geld zu sparen. Bis 2036 soll nach Plan der FDP jede fünfte Stelle in der Verwaltung durch digitale Prozesse und intelligente Automatisierung entbehrlich gemacht werden.

Reaktionen aus der Region

Der neue Zuschnitt würde für die PZ-Region bedeuten: Pforzheim, der Enzkreis sowie die Kreise Calw und Freudenstadt würden analog zum bisherigen Regionalverband Nordschwarzwald zu einer Organisationseinheit zusammengeführt. Und der Landrat? Der würde dann direkt vom Volk gewählt werden, wenn es nach der FDP geht.

Was die aktuellen Amtsinhaber wohl davon halten? Enzkreis-Landrat Bastian Rosenau ist derzeit im Urlaub. Seine Stellvertreterin, Erste Landesbeamtin Hilde Neidhardt (Archivfoto: Enzkreis), sagt: „Unabhängig von der Frage, ob ein solcher Vorschlag mit Blick auf die kommunale Selbstverwaltung verfassungsrechtlich zulässig wäre, spricht aus unserer Sicht vor allem dagegen, dass verschiedene Studien zeigen, dass sich bei Landkreisen mit mehr als 100.000 Einwohnern – und das trifft nicht nur auf den Enzkreis, sondern auf alle Kreise in Baden-Württemberg zu – durch eine Zusammenlegung keine relevanten Effizienzgewinne mehr erzielen lassen.“ Wie der Landkreistag verweist auch sie auf die zu befürchtende Abnahme der Bürgernähe. Dies würde den Interessen der Einwohner nicht entsprechen, so Neidhardt: „Es wäre daher viel zielführender, endlich die strukturelle Unterfinanzierung der kommunalen Ebene durch Bund und Land zu beheben und sich mit Nachdruck um eine systematische Aufgaben- und Standardkritik und den Bürokratieabbau zu kümmern.“

Die Erste Landesbeamtin räumt aber ein: Die Kreisreform 1973 sei ein Erfolg gewesen: Die 63 damals bestehenden Landkreise seien vielfach zu klein gewesen, um Großaufgaben etwa im Bereich Krankenhäuser, der schulischen Bildung und im Verkehrswesen adäquat zu erledigen. „Die jetzige Struktur der Landkreise hat sich dagegen über viele Jahrzehnte hinweg bewährt“, so Neidhardt. „Aktuell würde eine neuerliche Gebietsreform unseres Erachtens keinen Sinn machen.“

Ganz anders sieht das der FDP-Landtagsabgeordnete des Enzkreises – sowie Fraktionsvorsitzende im Kreistag – Erik Schweickert (Archivfoto: Meyer): „Von Bürgern und Unternehmern höre ich täglich, wie sie im Zuständigkeits-Pingpong der Behörden zerrieben werden.“ Die Reform bündele aus seiner Sicht Verantwortung, streicht mittlere Ebenen, mit denen die Bürger und Unternehmen in der Regel ohnehin nicht viel zu tun hätten, und gebe Entscheidungsspielräume an die Kommunen vor Ort und digitalisiere konsequent. „Anträge können so schneller und bürgernäher entschieden werden.“ Den Zuschnitt eines Regionalkreises Nordschwarzwald mit den Landkreisen Freudenstadt, Calw und dem Enzkreis sowie dem Stadtkreis Pforzheim unterstütze er, weil diese „seit jeher das Bindeglied zwischen den Metropolregionen Karlsruhe und Stuttgart sind“.

Pforzheim sei wirtschaftlich eng mit Calw und Freudenstadt verflochten. Aber könnte sich Schweickert mit dieser Reform, betrachtet man die gleichzeitige FDP-Initiative gegen den XXL-Landtag, nicht bald um alle seine Mandate bringen? Schweickert antwortet: „Uns geht es um bessere Leistungen, nicht um Posten. Um meine Person müssen Sie sich keine Sorgen machen: Der Kreistag ist bis 2029 gewählt; bis dahin bleibt alles wie bisher. Und dann wird auch im Regionalkreis ein Kreistag gewählt werden – dieser Wahl sehe ich, genauso wie einer Wahlkreiskonferenz der FDP, positiv entgegen.“

Landrat bezieht Stellung

Erwartungsgemäß liegt die Einschätzung des Calwer Landrats Helmut Riegger (Foto: Röhr) nahe an der des Enzkreises. „Kreise in dieser Größenordnung halte ich für nicht sinnvoll“, sagt er: „Es handelt sich um einen alten Vorschlag in neuem Gewand.“ Grundsätzlich lehnt Riegger strukturelle Änderungen in er Verwaltung nicht ab. „Eine Verwaltungsreform ist immer eine Chance, besonders jetzt wo über Effizienzsteigerung und Bürokratieabbau geredet wird. Allerdings dürfen wir nicht zu groß werden und zu weit weg von den Bürgerinnen und Bürger sein.“ Darum sei der Reformansatz der FDP zwar grundsätzlich richtig – „jedoch nicht in dieser Dimension“. Der Landrat befürchtet, dass die Bürgernähe „signifikant abnehmen“ könnte. Statt einer Reform in dieser Dimension fordert auch Riegger eine „Korrektur der strukturellen Unterfinanzierung der kommunalen Ebene durch Bund und Land“. Außerdem schlägt er die Übertragung von Aufgaben anderer Verwaltungsebenen auf die Landratsämter vor, wodurch eine Reduktion der Ebenen erzielt werden könne.