Trotz Corona schreitet Jugendamt nicht öfter ein: 34 Kinder wurden in Obhut genommen
Enzkreis. Das Jugendamt Enzkreis hat im vergangenen Jahr 34 Kinder und Jugendliche in Obhut genommen, in den vier Jahren davor bewegte sich ihre Zahl zwischen 20 und 60. „Junge Menschen von ihren Eltern zu trennen, ist immer das äußerste Mittel, die Ultima Ratio“, sagen Sozialdezernentin Katja Kreeb und Jugendamtsleiter Wolfgang Schwaab. Den Kolleginnen und Kollegen des Allgemeinen Sozialen Dienstes falle dieser Schritt nie leicht.
Wie Schwaab erläutert, bedeutet „Inobhutnahme“ die vorübergehende Aufnahme und Unterbringung zum Beispiel bei einer geeigneten Person, in einer Bereitschaftspflegefamilie, in einer Einrichtung oder in einer anderen betreuten Wohnform. „Wir erhielten im vergangenen Jahr 146 Meldungen zu möglichen Kindeswohlgefährdungen. Sie kamen von Nachbarn, Bekannten, Kinderärzten, Schulen und Kindertagesstätten, die aufmerksam waren und uns auf den Plan riefen“, berichtet Jugendhilfeplaner Paul Renner.
Viele Kinder und Jugendliche würden aber auch von sich aus auf die Behörde zukommen. „In jedem einzelnen Fall waren wir vor Ort und nahmen eine individuelle Einschätzung vor. In 34 Fällen führte dies dazu, dass wir die Kinder oder Jugendlichen in Obhut nahmen.“ In solchen Fällen leiden die jungen Betroffenen oft unter akuten Gefahren. Sie erleben schwere Konflikte in der Familie, Misshandlungen, sexuelle Gewalt. „Dann ist die Inobhutnahme der letzte Ausweg, gewissermaßen der Rettungsring, den das Jugendamt werfen muss“, beschreibt Schwaab die Aufgabe der Behörde.
Wenn es darum geht, ein Kind aus einer Familie heraus in Obhut zu nehmen, um es zu schützen, dann kann dies laut Christopher-Tom Reimann, dem stellvertretenden Jugendamtsleiter, in Einzelfällen auch ohne Einverständnis der Sorgeberechtigten erfolgen. Das Jugendamt sei dann verpflichtet, das Familiengericht einzuschalten. Das habe dann das letzte Wort und entscheide, was für das Wohl des Kindes richtig und notwendig ist.
In vielen solchen Fällen seien es Bereitschaftspflegefamilien, die Kinder in dieser großen Not aufnehmen, ihnen Sicherheit und Geborgenheit bieten. Sie schaffen den Raum dafür, dass Eltern, Jugendamt und andere Helfer gemeinsam und möglichst schnell die Voraussetzungen dafür schaffen können, dass die Kinder – sofern möglich – wieder zu ihrer Familie zurückkehren können. „Erfreulich ist, dass uns dies bei ungefähr der Hälfte der untergebrachten Kinder innerhalb weniger Wochen gelungen ist“, berichtet Reimann. Oft würden den Eltern dann ambulante Hilfen wie beispielsweise sozialpädagogische Familienhilfe angeboten, um ihre Lebenssituation zu verbessern. Für Kinder und Jugendliche, für die eine Rückkehr in ihre Familie nicht in Betracht kommt, erarbeiten die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter im Allgemeinen Sozialen Dienst möglichst gemeinsam mit den Eltern und den jungen Menschen andere Perspektiven.
Ein Schwerpunkt der Arbeit des Jugendamtes liege auch auf der Prävention: „Wir bieten eine Fülle von Hilfen für belastete Familien an, um es erst gar nicht so weit kommen zu lassen. Krisenmanagement heißt die Lösung – und zwar bevor die Situation eskaliert.“