Maulbronn
Maulbronn -  24.07.2018
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Klosterkonzerte Maulbronn: Bemerkenswerter Abschluss des Festwochenendes

Maulbronn. Die Klanggewitter, die der gefeierte Percussionist Martin Grubinger am Wochenende den Klosterkonzerten Maulbronn bescherte, blieben lediglich akustisch. Das Abschlusskonzert des Festwochenendes aber, mit dem die Veranstaltung ihr 50-jähriges Bestehen beging, hatte es mit echten Naturgewalten zu tun – ein angemessener Hintergrund für das ehrgeizige Programm, das mit Sergei Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 3 in d-Moll seinen spektakulären Schwerpunkt hatte.

Ein Open-Air-Konzert sei dieser Abend, so erklärten die Veranstalter so stolz wie trotzig. Tatsächlich war das Wetter diesem Finale des attraktiven „Festivals im Weltkulturerbe“ nicht eben dienlich. Die volle Tribüne vor der herrlichen Kulisse des Klosterhofs bot mit einem knisternden Meer von Regenhüllen einen ungewöhnlichen Anblick, der (abklingende) Regen steuerte dem Genuss bis zur Pause ein musikfremdes Grundrauschen bei, und die Streicher auf dem (überdachten) Podium mussten gar mitten im Spiel zur Mitte rutschen, als nasser Seitenwind ihre Instrumente zu erfassen drohte.

Die Zuschauer trugen es mit (meist) heiterer Gelassenheit. Sie wurden entschädigt durch die Begegnung mit einem Musikstück, das berüchtigt ist wegen der hohen Ansprüche, die es an den Interpreten stellt, und dem nicht umsonst die ehrfürchtige Bezeichnung als „Konzert für einen Elefanten“ anhängt. Rachmaninow schrieb das Werk für eine geplante Amerika-Tournee und versprach sich dadurch den Durchbruch in der Neuen Welt. Die Uraufführung 1909 in New York war zwar ein Erfolg, aber lange stand das Stück im Schatten seines berühmteren 2. Klavierkonzerts.

In dem virtuosen Pianisten Bernd Glemser, der schon seit Jahren „artist in residence“ der Maulbronner Klosterkonzerte ist, stand dem Abend ein berufener Interpret zur Verfügung, der die enormen Schwierigkeiten der Komposition glänzend meisterte. Ihm gelangen die wuchtigen Oktavgriffe und mächtigen Attacken ebenso überzeugend wie die atemberaubend schnellen Läufe und feinen Lyrismen der Partitur, die zwischen getürmten Klangmassen und inniger Schlichtheit, monumentalen Steigerungen und ergreifender Verhaltenheit eine packende Wirkung entfaltet.

Filigrane Streicher

Glemsers großartiger Leistung bereitete Daniel Raiskin am Pult der Stuttgarter Philharmoniker eine stimmige Grundlage. Das Orchester ließ sich von den Unbilden der Witterung nur wenig irritieren und beeindruckte durch filigrane Feinheiten der Streicher ebenso wie durch kompakte Einsätze der vorzüglichen Blechbläser, denen in den gewaltigen, lebhaft entfalteten Ballungen der Ensembles eine prominente Rolle zukommt. Zu Recht feierte das Publikum die Mitwirkenden mit begeistertem Beifall.

Neben dem Rachmaninow-Koloss wirkte nach der Pause Beethovens 7. Sinfonie in A-Dur von 1812 fast wie eine freundliche Zugabe. Dirigent Raiskin gestaltete das vielschichtige Werk zusammen mit dem Orchester zu einem sorgsam nuancierten und eindrucksvoll durchhörten Gesamtbild. Der Bogen spannte sich fesselnd von den Tutti-Schlägen des Anfangs mit ihren Auflösungen in zarten Kantilenen über das berühmte Allegretto des zweiten Satzes, das Raiskin wohltuend aus der düsteren Elegie der Trauermusik erlöste, und das gut gelaunte Scherzo bis zum beschwingten Ausklang mit dem Allegro des letzten Satzes.

Der Zauber der Musik fand seine Entsprechung in der aufklarenden Witterung, die dem eigenwilligen Abend einen animierenden Abschluss stiftete. Erleichtert schälten sich die Besucher aus ihren Regenhüllen und spendeten ausgiebigen Beifall.

Autor: Rainer Wolff