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Maulbronn -  15.10.2025
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Maulbronn im Dritten Reich: Film enthüllt NS-Verstrickungen von Unternehmern und Zwangsarbeit im Steinbruch

Maulbronn. Ausgeführte Aufträge für die Rüstungsindustrie, Beschäftigung von Zwangsarbeitern, Bereicherung durch Übernahmen anderer Betriebe – und teilweise sogar die direkte Beteiligung an der millionenfachen Judenermordung: Deutsche Mittelständler sind im Dritten Reich oft nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ideologisch stark ins NS-Regime eingebunden. Ein Thema, über das lange Zeit überhaupt nicht gesprochen worden ist und auch in den Jahreschroniken zahlreicher Unternehmen kaum eine Rolle spielte. Filmemacher Dietrich Duppel hat in seinem neuen Werk „Geraubtes Wirtschaftswunder – Die übertünchte Vergangenheit der Deutschen“ aufgezeigt, wie Unternehmer an Kriegswirtschaft und Zwangsarbeiter verdienten – und ist dabei auch in seiner Heimatstadt Maulbronn auf interessante Erkenntnisse gestoßen.

Der „Führer“ Adolf Hitler kommt 1935 nach Maulbronn und wird dort – wie anderorts auch – frenetisch von der Bevölkerung empfangen. Im Hintergrund das Kloster.
Der „Führer“ Adolf Hitler kommt 1935 nach Maulbronn und wird dort – wie anderorts auch – frenetisch von der Bevölkerung empfangen. Im Hintergrund das Kloster. Foto: Screenshot Arte/Geraubtes Wirtschaftswunder

„Adolf Hitler war ein gerne gesehener Gast in Maulbronn“, erzählt Duppel vor der malerischen Welterbekulisse.

1935 besucht der „Führer“ die Klosterstadt. Alle jubeln ihm zu, darunter auch der damalige Bürgermeister August Kienzle sowie Steinbruchbesitzer Albert Burrer und der Industrielle Willy Schenk. Mit dem Sandstein von Burrer werden Teile des Berliner Olympiastadions errichtet – und auch für die Tribünen auf dem Reichsparteitagsgelände erfolgen Lieferungen aus Burrers Steinbruch.

Der Steinbruchbesitzer tritt bereits 1931 in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) ein, wird als „äußerst fanatischer und eifriger Parteigenosse“ beschrieben. Nach dem Krieg sagt Burrer, dass er die Zuschläge im freien Wettbewerb bekommen habe, das habe mit seiner Parteizugehörigkeit nichts zu tun gehabt. Der Stadt Maulbronn stiftet Burrer einen Reichsadler, der – lange schon ohne Hakenkreuz – noch immer in der Stadthalle hängt. Im Burrer-Steinbruch sind während des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeiter untergebracht.

Der Maulbronner Künstler Rainer Traub berichtet im Gespräch mit Duppel von den Erfahrungen seiner Tante. Es sei „schrecklich zu sehen“ gewesen, wie „halbverhungerte, dürre, klapprige Menschen“ unterwegs gewesen seien. Auch die Zwangsarbeiter von Schenk sind in diesem Zeitraum im Steinbruch untergebracht. In dem Werk des Industriellen werden in dieser Zeit leichte Bauteile für die Flugzeugmotoren der deutschen Luftwaffe produziert, heißt es in dem 90-minütigen Film.

Schenk wird zum NS-Wehrwirtschaftsführer ernannt, koordiniert die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Militär.

„Ohne Zwangsarbeit wäre hier die Rüstungsproduktion zusammengebrochen, da die Männer an der Front waren“, hält die Historikerin Ulrike Herrmann fest.

Laut einer Klageschrift der Spruchkammer Vaihingen/Enz hat Schenk zwischen 1942 und 1944 über fünf Millionen Reichsmark verdient. Da seine Firma auf kräftige Arbeiter angewiesen ist, verlangt er von Burrer immer wieder bessere Verhältnisse für die Zwangsarbeiter – dieser aber pocht auf die genaue Einhaltung der gängigen Vorschriften.

Nach dem Zweiten Weltkrieg werden die beiden Unternehmer verhaftet, müssen sich für ihre Taten verantworten und werden schließlich als „Mitläufer“ verurteilt. Burrer muss 2000 Mark Sühnezahlung leisten. Schenk wird eine Geldstrafe erlassen, da er durch die Demontage seiner Werke schon genug bestraft gewesen sei.

Ein Gespräch mit dem Filmemacher haben die Familien Burrer und Schenk laut Duppel abgelehnt. Die beiden Unternehmer sind bis heute Ehrenbürger der Klosterstadt. Die Ehrenbürgerwürde von Adolf Hitler hat der Maulbronner Gemeinderat im Dezember 2007 aberkannt.

Um den Film zu sehen, klicken Sie hier.