Mühlacker
Mühlacker -  18.02.2023
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Aus Mühlacker in die große Welt: Wie Natascha Zeljko Karriere macht

Mühlacker. Natascha Zeljko legt eine steile Karriere in der Verlagsbranche hin. Dann entscheidet sie sich für einen Neuanfang und gründet ein Start-up.

Von der Verlags- in die Start-up-Welt: Unternehmerin Natascha Zeljko hat den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt.
Von der Verlags- in die Start-up-Welt: Unternehmerin Natascha Zeljko hat den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Foto: Zeljko

Raus aus dem vermeintlich sicheren Hafen einer Festanstellung in der Verlagsbranche, rein in die Selbstständigkeit. Diese berufliche Zäsur vollzog die in Mühlacker geborene Natascha Zeljko mit 46 Jahren. Gründerinnen und Gründer sind oftmals schillernde Persönlichkeiten, deren Leben von außen betrachtet glamourös scheint, in Wirklichkeit ist es harte Arbeit. Das kann Natascha Zeljko nur unterstreichen. Ihren eigenen Weg ins Unternehmertum, für den es im Übrigen keinen Masterplan gab, bezeichnet sie selbst als „bumpy road“, also als holprige Straße. Bereut hat sie diesen Schritt bis heute – vier Jahre später – keinen Tag.

Für Natascha Zeljko ist Arbeit Therapie. Anfangen und Weitermachen, wenn Plan A scheitert noch mal aufstehen und es mit Plan B anders probieren. Beim Weitermachen lösen sich Knoten, davon ist sie überzeugt.

Zeljko ist das Kind einer Einwanderfamilie. Ihre Eltern sind in den 60er-Jahren aus dem ehemaligen Jugoslawien (heute Slowenien) eingewandert, ihr Bruder war damals vier Jahre alt. Sie ist in Mühlacker geboren und aufgewachsen. Das Abitur hat Zeljko am Theodor-Heuss-Gymnasium gemacht. Als junges Mädchen spielte sie Volleyball und war eine passionierte Leserin. In einem Interview erzählte sie einmal, sie hätte damals fast die ganze Stadtbücherei leer gelesen. Heute sei sie eine leidenschaftliche Podcasthörerin, das Lesen komme aktuell etwas zu kurz.

Das Erwachsenwerden in den 1980er-Jahren in Mühlacker empfand Zeljko oft als eng. Dennoch gab es in dieser Enge auch Gutes – zum Beispiel Erna Händle, eine großherzige und fröhliche Rheinländerin. Sie war die Mutter des Arbeitgebers, bei dem Zeljkos Vater angestellt war.

„Sie hat meiner Mutter zum Beispiel den Job im Labor im Krankenhaus vermittelt. Ich war auf den Geburtstagen ihrer Enkelin, die in meinem Alter war, eingeladen, in ihrem schönen alten Haus im Uhlandbau-Viertel in Mühlacker. Und sie hat mir mein erstes Buch in deutscher Sprache geschenkt: Pippi Langstrumpf. Meine Eltern standen bis zu ihrem Tod mit ihr in Kontakt und sind regelmäßig mit ihr essen gegangen“, Natascha Zeljko.

Nach dem Abitur ging es für Zeljko nach Paris, sie machte ein Praktikum in einem deutsch-französischen Kindergarten, studierte an der Sorbonne und führte regelmäßig die Hunde ihrer Gastfamilie aus am Champ de Mars, unter dem Eiffelturm. Danach stand ein Lehramtsstudium Deutsch/Französisch in München auf dem Plan. Nach zwei Semestern wusste sie aber: Das ist nicht ihr Ding – und sattelte auf Magister in Germanistik und Politikwissenschaften um.

Berufliche Langstreckenläuferin

Natascha Zeljko war Teil der goldenen Zeiten in der Verlagsbranche. Sie schrieb für Unternehmen, als ihre Journalistenkolleginnen und -kollegen darüber noch die Nase rümpften. Sie aber hatte Spaß daran, Magazine für Unternehmen zu konzipieren. Auch wenn die Tage hart und anstrengend waren. Sieben Jahre lang arbeitete sie für das Journal International.

Dann kam ein unerwarteter Anruf der damaligen Chefredakteurin von Condé Nast, die ein neues Frauenmagazin auf den Markt bringen wollte. Zwei Wochen lang nahm sich Zeljko für die Entscheidung Zeit. Heute noch ein Running Gag, schließlich gab es noch andere, die für die Stelle infrage kamen. Doch sie bekam den Job und wechselte zum Kiosktitel. Das Frauenmagazin „myself“ erschien erstmals im Sommer 2005. Die erste Auflage bestand aus 600000 gedruckten Exemplaren. Der Werbespruch lautet bis heute: „Myself macht Frauen stark.“ Und das seien nicht nur leere Worthülsen, sondern werde auch gelebt, erzählt Zeljko.

Noch heute schwärmt sie über Lesestücke mit Tiefgang, die mehr zu bieten hätten als den nächsten Beauty- oder Diät-Tipp. 13 Jahre lang war sie für „myself“ tätig. Zuletzt als stellvertretende Chefredakteurin. Im Juli 2017 wurde „myself“ an die Funke-Mediengruppe verkauft. Für Funke war dieser Schritt der Einstieg ins Segment der Lifestyle-Zeitschriften. Für Zeljkos Eltern war eine sichere Festanstellung in einem renommierten Unternehmen ein hohes Gut. Sie waren glücklich, dass ihre beiden Kinder es geschafft hatten. Doch dann kam die digitale Transformation, die auch vor der Medienbranche nicht Halt machte. Von der einstigen Goldgräberstimmung war nichts mehr zu spüren.

Gleichzeitig hatte Zeljko einen kleinen Bore-out – ein Pendant zu Burn-out. Sie war gestresst, weil es viel zu tun gab und gleichzeitig gelangte sie an einem Punkt, an dem es nichts mehr dazuzulernen gab. Sie wollte sich selbst wieder herausfordern, Wissen wie ein Schwamm aufsaugen, eine Lernkurve haben.

Das Netzwerk ist die neue Rente

Also ging sie auf viele Afterworks, traf eine Menge Leute, darunter auch viele Gründer, die nahbar waren und ihre Geschichten ehrlich, mit all ihren Höhen und Tiefen, teilten. Gleichzeitig verschaffte ihr Social Media Sichtbarkeit und spülte wertvolle Kontakte in das Netzwerk, das sie zu knüpfen begann. Dem berühmten Satz, das Netzwerk sei die neue Rente, kann sie viel abgewinnen. Denn ein Netzwerk liefert Möglichkeiten, viele Jobs werden in diesen informellen Netzwerken vergeben.

Eine Strategie für ihre berufliche Karriere hatte Zeljko nie. Sie hat die Möglichkeiten, die sich boten, ergriffen – so wie 2018. Sie gründete mit zwei Co-Foundern die englischsprachige Online-Plattform F10 (FemaleOneZero). Kaum hatte sie beschlossen, die Verlagswelt hinter sich zu lassen, da klopfte das Leben noch mal an und stellte sie auf den Prüfstand. Gleich drei Angebote für eine Chefredaktion flatterten bei ihr ein. Zeljko sagte ab und ließ eine hoch dotierte Rentention-Prämie (Treuebonus in Form einer Einmalzahlung, Instrument um Mitarbeiter zu halten) liegen. Sie hatte sich entschieden. Ihren Schritt in die Selbstständigkeit finanzierte sie aus eigenen Mitteln, ohne Fremdinvestor.

F10 baut auf die drei Säulen Diversity (Vielfalt), Female Empowerment (Frauen stärken) und Digitalisierung. Themen, mit denen sich Zeljko stark identifizieren kann. Sie liebt es, Geschichten von Vorbildern zu erzählen und dadurch einen gesellschaftlichen Einfluss zu schaffen. Das Thema Vereinbarkeit für Mütter klammert sie bewusst aus. Frauen immer wieder mit diesem Thema zu verbinden, sei der falsche Weg, weil er veraltete Rollenmodelle noch weiter zementierte.

„Ich selbst habe keine Kinder. Ich habe um mich herum gesehen, wie schwer es Frauen gemacht wird. Selbst in so einem Umfeld, aus dem ich kam, einer Frauenredaktion. Da hieß es, nicht so viele Mütter einstellen, nicht so viele Teilzeitkräfte. Mich hat das wahnsinnig geärgert, weil ich dachte, wenn wir nicht solidarisch sind, wer soll sich denn dann solidarisieren?“, sagt Zeljko.

„Wir müssen das Thema Arbeiten und Familie und Carearbeit neu denken, da müssen wir mutiger werden.“ Die nordischen Staaten seien da weiter.

Neues Start-up gegründet

Inzwischen ist Zeljko auch Mitgründerin des Start-ups Curaze. Der Name ist eine Wortschöpfung aus to curate (kuratieren) und to amaze somebody (jemanden begeistern). Curaze ist ein Innovationsnetzwerk, das sich zum Ziel gesetzt hat, Start-ups und Unternehmen durch verschiedene Formate miteinander zu vernetzen. Das Ziel ist, so dringend notwendige Innovationen in Deutschland voranzutreiben. FemaleOneZero (F10) fungiert dabei als Contentplattform von Curaze beziehungsweise Circulaze (die Circular-Economy-Initiative von Curaze). 2023 sollen die beiden Start-ups noch weiter miteinander verschmelzen.

Als Rückkopplung aus vielen Gesprächen mit Unternehmerinnen und Unternehmern hätte sich herausgestellt, dass viele das Thema Circular Economy (Kreislaufwirtschaft) umtreibt. Die Unternehmen wollen zirkulärer und resilienter werden. Klimawandel, geopolitische Krisen, Rohstoffmangel und Lieferengpässe, all das spielt eine Rolle. Deshalb haben Natascha Zeljko und ihr Co-Gründer Claus Schuster das Thema Circular Economy im Frühjahr 2022 auch als Fokusthema für Curaze identifiziert. Viele Start-ups entwickeln Lösungen, die Ressourcen zu schonen und in einen Kreislauf zurückgeben. Die Vision ist, das „Davos“, also die führende Plattform für Kreislaufwirtschaft zu werden. Im Herbst 2023 soll ein großes Circulaze-Festival stattfinden.

Da man bei einem Start-up auch der Maschinenraum und wirklich für alles zuständig ist, wartet auf Zeljko eine Menge Arbeit. Deshalb hatte sie für 2023 einen Vorsatz gefasst: mehr Pausen einlegen. Dabei unterstützen wird sie sicherlich ihr Jagdhund Luke. Der muss ja zwischendurch einfach an die frische Luft.

Autor: Tanja Meckler