Mühlacker
Mühlacker -  22.09.2024
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Symposium im Faustarchiv: Mephisto-Tage in Knittlingen locken viele Besucher an

Knittlingen. Das Faust-Museum und das Faust-Archiv der Stadt Knittlingen haben am Wochenende die Mephisto-Tage veranstaltet. Eröffnet wurde das Symposium am Samstag von Denise Roth, Leiterin des Faustmuseums und -archivs, Joana van de Löcht und Jost Eickmeyer. Zur Einstimmung hatte bereits am Freitag das Art-Ensemble Theater Bochum das Stück „Der mit dem Teufel tanzt“ inszeniert.

Historiker Jost Eickmeyer hat zusammen mit Denise Roth über das „Faustische Florett zu Goethes Mephistopheles“ referiert.
Historiker Jost Eickmeyer hat zusammen mit Denise Roth über das „Faustische Florett zu Goethes Mephistopheles“ referiert. Foto: Webdesign Michael Roller

Denise Roth zeigte sich angenehm überrascht über die große Besucherzahl bei den Mephisto-Tagen. Schon die Theater-Aufführung war bis auf den letzten Platz ausgebucht. Am Samstag startete das Symposium mit dem Vortrag von Manfred Osten im Saal des Faust-Archivs zum Thema „Mephistos Prophetie der Klimakatastrophe und Goethes Therapie-Vorschläge“. Susanne Hocke und Jürgen Larys führten ein Werkstattgespräch zur Performance der neuen Mephistodarstellung von Goethe um 1700. Im Anschluss konnten die Besucher „Mephistopheles als Reittier – der Spiritus familiaris in Tierform“ mit Tobias Bulang erleben. Als Nächstes im Programm ging es um ein Hin und Her zwischen Mephisto und Faust („Faustisches Florett zu Goethes Mephistopheles“) – erläutert von Denise Roth und Jost Eickmeyer.

Das Symposium rund um Mephistopheles beleuchtete aus interdisziplinärer Perspektive Ursprung, Entwicklung und Interpretationsmöglichkeiten dieser einzigartigen Teufelsgestalt. Weitere Vorträge folgten von Michael Blume („Hiob und Mephisto“) und Manuel Bauer („Der geprellte Teufel“). Am Samstagabend zeigte die Freiburger Puppenbühne „Goethes Faust – eine Puppenshow für Erwachsene“.

Den Sonntag eröffnete im Faustarchiv Helmut Oberst mit seinem Vortrag „Dionysos: geliebt, verehrt – gefährlich?“. Jonathan Hille referierte anschließend zum Thema „Science Slam in Mephistos Corner“ und Lea Reiff zu „Teufels Künstler, Teufels Kunst: Mephisto und die Berliner Bühne(n)“. Zum Abschluss der Knittlinger Mephisto-Tage präsentierte Richard Brittnacher „Teufelsgestalten in Phantastik und Horror.“

Faust Theater: Ein Tänzchen mit dem Teufel

Namen und Gesichter hat der Teufel viele. Die menschlichen Vorstellungskräfte reichen über einen pferdefüßigen, hörnertragenden Satan, einen rotgesichtigen gefallenen Engel Luzifer, angsteinflößende mittelalterliche Fantasiegestalten bis hin zu Mephistopheles, der „genialsten, einprägsamsten und lebendigsten Teufelsfigur aller Dichtungen“ (Thomas Mann). Aber gibt es ihn denn überhaupt, den Teufel – als Person? Oder gibt es „nur“ das Böse schlechthin – als dialektischen Gegenpart des Guten, oder als Yin und Yang?

Vielschichtiger Mephisto

In Johann Wolfgang Goethes Faust-Dichtung ist Mephisto eine Figur, die in ihrer Charakteristik vielschichtiger angelegt ist als im Volksbuch. Er ist schlau, listig, emotionslos, wortgewandt und setzt diese Eigenschaften ein, um Faust, sein Lieblingsopfer, zu einem hedonistischen und triebhaften Leben zu verführen.

Der Fauststoff setzt immense kreative Kräfte frei, die in Wort, Spiel, Musik, Tanz, Bild und Pantomime vielfältigste Formen und Gestalten annehmen. Keine Kunstform scheint sich der Inspiration entziehen zu können, die von der Thematik ausgeht. Das Art-Ensemble Theater Bochum bringt bei den Mephisto-Tagen in Knittlingen die Zwei-Personen-Theater-Performance „Der mit dem Teufel tanzt – eine Verführung“ auf die Bühne. Ein weiblicher Mephisto und ein Typ, der mal als Musiker Erich, mal als Heinrich in Erscheinung tritt, übertragen das Drama schauspielerisch brillant ins 20. Jahrhundert. Die Performance mit Susanne Hocke als Teufel und Jürgen Larys als Musikus und Verführungsopfer, spielt gekonnt mit den Elementen der Faustdichtung, die in der dichten Übertragung immer wieder aufblitzen. Goethe hat in seinem berühmtesten Werk vielleicht unbewusst den Prototypen eines modernen Menschen geschaffen. Und dieser will immer mehr: mehr Wissen, mehr Macht, mehr Geld, mehr Sex. Der Kick kann nicht groß genug sein. Grenzen werden nicht akzeptiert.Der Drang nach Genuss, Ekstase, Macht, Besitz und Geld ist zwar zeitlos und seit Anbeginn die Zentrifugalkraft menschlicher Begierden – im 20. und 21. Jahrhundert aber spitzen sich diese Triebe noch einmal deutlich zu und es kommt zu großen Krisen, Weltkriegen und zur Zerstörung der natürlichen Ressourcen.

So ist es nur folgerichtig, wenn die Theater-Performance das Goethe-Drama in die Jetztzeit fortspinnt. Alkohol, Erotik, der Drang nach Ruhm, Besitz, Macht und Einfluss bleiben, hinzu kommen Drogen, Künstliche Intelligenz und – was Goethe nicht wissen konnte – ein wissenschaftlicher Aufschwung, der mit der Verlockung einhergeht, Gott ins Handwerk zu pfuschen. An dieser Stelle schließt sich der Kreis des Theaterstücks mit dem Eingangsprolog, der davon berichtet, dass Luzifer alias Mephisto gegen Gott rebelliert, um sich ihm gleichzustellen und die Welt zu beherrschen, woraufhin er zum Gegenspieler Gottes und Urheber des Bösen wird.

Wer „mit dem Teufel tanzt“ überschreitet zwar Grenzen, wird aber zugleich hineingezogen in einen Abwärtsstrudel, aus dem es kein Zurück gibt. Der Weg des Verführten ist bittersüß – süß zu Beginn und bitter am Ende. Wer den geraden Weg hinter sich lässt, erlebt zwar den großen Kick, bezahlt aber am Ende dafür – denn alles im Leben hat seinen Preis.