Landtagskandidaten auf kirchlichem Prüfstand: Podiumsdiskussion bei langer Nacht der Kirche
Niefern-Öschelbronn/Enzkreis. Die evangelische Kirche in Niefern hat trotz der Corona-Situation einen Weg gefunden, um auch in diesem Jahr wieder die schon zur Tradition gewordene lange Nacht der Kirche durchführen zu können. Fest zugeteilte Plätze in der Kirche, die Übertragung auf den Kirchenvorplatz sowie der Livestream im Internet haben zur Einhaltung der Abstandsvorgaben beigetragen. Zu Beginn gab es für die Besucher in der Kirche eine ganze Reihe von Anweisungen, die es coronabedingt einzuhalten galt, wie die Laufrichtung beim Verlassen der Kirche.
So erlebten Bürger die Kandidaten der kommenden Landtagswahl im März 2021 auch live vor Ort. Alle Kandidaten der im Niefern-Öschelbronner Gemeinderat vertretenen Parteien. So war die Veranstaltung konzipiert worden.
Fragen zum Glauben
Im Gegensatz zu Michael Hofsäß (SPD) und Philippe A. Singer (CDU) haben Stefanie Seemann (Grüne) und Erik Schweickert (FDP) im aktuellen Landtag bereits einen Sitz und streben ihre Wiederwahl an. Pfarrer Mathias Götz und Kirchengemeinderat Matthias Koch moderierten das Podiumsgespräch.
Der Start in die Gesprächsrunde gestaltete sich durch massive Tonprobleme zunächst etwas holprig, was aber durch beherztes Handeln im Hintergrund behoben werden konnte. Pfarrer Götz ließ es sich nicht nehmen, die Gesprächsteilnehmer nach ihrem Bezug zum christlichen Glauben und zur Kirche zu fragen, auch im Bezug zu politischen Entscheidungen. Schweickert war davon überzeugt, dass der christliche Glaube politische Entscheidungen beeinflusse, sah aber weniger die Bibel, sondern das Grundgesetz als Richtschnur. Für Hofsäß spielte bei der persönlichen Entscheidungsfindung Gott und die Kirche eine verhältnismäßig große Rolle, für die politische Entscheidung habe dies jedoch keinen so großen Einfluss. Allerdings sah er viele Schnittmengen zwischen Politik und Kirche. Seemann bezog sich auf eine Aussage der Theologin Margot Käsmann, die gesagt habe, man könne nicht tiefer fallen als in Gottes Hand. „Das gibt mir Sicherheit“, sagte sie. Singer betonte, dass für ihn das christliche Menschenbild eine wichtige Rolle spiele und auch für Entscheidungen prägend sei.
Im Verlauf des Gesprächs wurden Themen angesprochen wie Digitalisierung, Verschuldung des Landes, die Krawallnacht in Stuttgart, Wahlrecht für 16-jährige, Schulbildung und mehr. Beim Thema Asyl bedauerte Pfarrer Götz, dass für geflüchtete Christen, die in vielen islamischen Ländern besonders gefährdet seien, kein Kontingent eingerichtet werden konnte, wie die Kirche von der Landesregierung gefordert habe. Stattdessen seien traumatisierte Jesidinnen bevorzugt worden.
„Kann man so zwei Gruppen der Schwächsten und Gefährdetsten gegeneinander ausspielen?“, stellte der Pfarrer in den Raum.
Seemann hielt fest, dass man humanitäre Verantwortung auch wirklich wahrnehmen müsse. „Wir müssen eine klare Botschaft haben und das nicht an einzelnen Gruppen aufhängen“, sagte sie und plädierte dafür, mehr Menschen aufzunehmen und hierbei auch in der Europäischen Union voranzugehen, wobei ihr auch eine europäische Lösung wichtig war.
Flüchtlinge und die Folgen
„In Deutschland geht es uns gut, wir können wirklich helfen, aber Hilfe muss vor Ort geschehen“, sagte Singer: „Wir können nicht eine grenzenlose Zuwanderung dulden. Damit kurbeln wir nur immer neue Flüchtlingswellen an und irgendwann können wir dann nicht mehr helfen.“ Schweickert fand es schade, dass man über Kontingente diskutieren müsse. „Mir kommt es nicht darauf an, wo einer herkommt, sondern wo jemand hin will, zusammen mit uns und unseren Werten“, erklärte er und brachte die Abschiebung von straffällig gewordenen Flüchtlingen ins Spiel. Hofsäß sah mit dem fortschreitenden Klimawandel weitere Flüchtlingswellen kommen. Auch er sprach sich für Hilfe vor Ort aus. In Bezug auf das abgebrannte Flüchtlingslager in Moria sei man aber schon über die Hilfe vor Ort hinaus. „Da muss man handeln“, sagte er.
Die Gesprächsrunde schloss Pfarrer Götz mit einem Gebet ab. Im weiteren Verlauf des Abends wurde eine Kirchenführung mit Historiker Jeff Klotz angeboten, die ebenfalls wahlweise vor Ort oder im Internet verfolgt werden konnte. Eine kurze Andacht setzte zu später Stunde schließlich den passenden Schlusspunkt der langen Nacht der Kirche in Niefern.