Sternenfels
Sternenfels -  01.06.2018
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Die Unwetternacht: Über 250 Einsätze in der Region - Mühlacker in Not

Pforzheim/Enzkreis/Karlsruhe. In der Nacht zu Freitag erreichten die vom Deutschen Wetterdienst angekündigten Unwetter auch Pforzheim und den Enzkreis. Kurz nach Mitternacht führten Gewitter mit extremem Starkniederschlag zu zahlreichen Fahrbahnüberflutungen, Geröllabgängen und vor allem vollgelaufenen Kellern in Firmengebäuden und Wohnungen.

Feuerwehr und THW waren in Mühlacker-Großglattbach gefordert.

Feuerwehr und THW waren in Mühlacker-Großglattbach gefordert.

Foto: Tilo Keller

Aus mehreren Orten im Schwarzwald, auf der Schwäbischen Alb und in Nordbaden wurden Regenmengen von zum Teil 50 Litern pro Quadratmeter in einer Stunde gemeldet. Nachdem in Pforzheim nur fünf wetterbedingte Einsätze zu verzeichnen waren, traf es den östlichen Enzkreis und ganz speziell die Stadt Mühlacker knüppeldick. Den heftigsten Sturzregen registrierte der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Mühlacker. Dort kamen innerhalb von nur 18 Minuten 35 Liter Wasser je Quadratmeter runter. Zum Vergleich: In Lenzkirch im Hochschwarzwald waren es 60 Liter in einer Stunde.

Ein Blitz hatte in einem Wohnhaus in Sternenfels den Dachstuhl in Flammen aufgehen lassen. Dabei entstand ein Schaden im sechsstelligen Bereich. Der Dachstuhl des Hauses in Sternenfels geriet nach dem Blitzeinschlag in Brand und wurde komplett ein Opfer der Flammen. Die Freiwilligen Feuerwehren aus Sternenfels, Knittlingen, Maulbronn und die Führungsunterstützungseinheit aus Stromberg versuchten, so viel zu retten wie nur möglich war. Das nun dachlose Haus (es musste wegen der Absuche und Ablöschung von Glutnestern abgedeckt werden) ist durch die Verrauchung und die Löschwassermengen unbewohnbar geworden.

Weit über 250 Einsätze in Pforzheim und im Enzkreis

Über 250 Mal wurde die Feuerwehr in Pforzheim und im Enzkreis zu Einsätzen gerufen, etwa um Keller und Wohnungen leer zu pumpen, Fahrbahnen wieder passierbar zu machen und auch vereinzelt umgestürzte Bäume zu beseitigen. Schwerpunkt war die Stadt Mühlacker mit allen Ortsteilen – allein hier waren bis zum Freitagmittag 170 Einsätze abgearbeitet worden.

Tiefer gelegene Garageneinfahrten waren eine leichte Beute der Wassermassen in Mühlacker-Großglattbach.
Tiefer gelegene Garageneinfahrten waren eine leichte Beute der Wassermassen in Mühlacker-Großglattbach.
Feuerwehr und THW waren in Mühlacker-Großglattbach gefordert.
Feuerwehr und THW waren in Mühlacker-Großglattbach gefordert.
Wasser auf der B10: Auch am Freitagmorgen hatte die Feuerwehr in Mühlacker noch mit den Wassermassen der Nacht zu kämpfen.
Wasser auf der B10: Auch am Freitagmorgen hatte die Feuerwehr in Mühlacker noch mit den Wassermassen der Nacht zu kämpfen.

Unterstützung erhielten die Kameraden aus Mühlacker von zahlreichen Feuerwehren des Enzkreises, aus Pforzheim sowie aus dem Landkreis Karlsruhe. Zwei Ortsverbände des Technischen Hilfswerks beseitigten mit Radladern Geröllabgänge in Großglattbach sowie bei Ötisheim.Zu einem großen Einsatz in Lomersheim wurden das THW Mühlacker und die Freiwillige Feuerwehr Wiernsheim hinzugezogen, da sich Schlamm angesammelt hatte. Das Wasser soll hier hüfthoch gestanden haben.

In Mühlacker an der Abzweigung zu Dürrmenz ist am Freitagmorgen zur Berufsverkehrszeit Wasser auf die B10 gelaufen. Die Polizei hatte erste Absperrmaßnahmen auf der Straße getroffen, die Feuerwehr hatte dann mit Sandsäcken das Wasser umgeleitet. Die Feuerwehr Mühlacker war seit 0.30 Uhr mit allen sechs Abteilungen und zusätzlichen Feuerwehrkräften aus Illingen, Ötisheim, Pforzheim, Wirnsheim, Neuenbürg sowie den THW-Ortsverbänden Pforzheim und Mühlacker und dem DRK im gesamten Stadtgebiet im Einsatz.

In der Nacht waren auch zwei Helfer des DRK-Ortsverbands Niefern-Öschelbronn in Mühlacker im Einsatz mit dem Kochanhänger, um die Verpflegung für Feuerwehr und THW zu sichern. Ihr Einsatz ging über viereinhalb Stunden.

An der Nieferner Hauptstraße waren am Freitagmorgen viele Mülleimer für den "Rundmüll" umgefallen und der Inhalt auf die Straße gefallen.

Dienstfreies Personal aktiviert - Feuerwehrtelefone laufen heiß

Weitere Unwettereinsätze gab es in Mönsheim, Illingen, Wiernsheim, Knittlingen, Maulbronn, Niefern, Ötisheim und Wurmberg. Die Integrierte Leitstelle wurde in der Nacht durch dienstfreies Personal verstärkt, um die zahlreichen Notrufe und Hilfeersuchen entgegenzunehmen. Und auch den ganzen Tag über gingen noch weitere Meldungen über vollgelaufene Keller ein.

Auf der Autobahn wurde bei der A8-Anschlussstelle Pforzheim-Ost der rechte Fahrstreifen in Fahrtrichtung Karlsruhe gesperrt, da auf die Fahrbahn gespülte Geröllmassen nicht beseitigt werden konnten. Die Aufräumungsarbeiten sind beendet, der Verkehr läuft wieder normal.

In vielen Orten in den Stadt- und Landkreisen Karlsruhe, Pforzheim, Enzkreis und Calw führte das Unwetter zu ausgehobenen Gullydeckeln und Erdrutschen, die zu Verkehrsbehinderungen führten. Auch einige Keller liefen voll Wasser und mussten ausgepumpt werden. Es mussten etliche umgestürzte Bäume und Äste beseitigt werden. Verletzt wurde hierbei niemand.

Land unter in Kraichtal - zum zweiten Mal kurz nacheinander

Im Landkreis Karlsruhe wurde über 200 unwetterbedingte Einsätze verursacht. Ganze Straßenzüge wurden zu reißenden Flüssen und Bäche traten über die Ufer. Mehrere Gemeinden wurden regelrecht von den Wassermassen eingeschlossen. Gegen 1 Uhr in der Nacht auf Freitag zog eine flächendeckende Gewitterzelle mit heftigem Starkregen, Hagel, Blitz und Donner über den Landkreis Karlsruhe.

Besonders heftig traf das Unwetter den nordöstlichen Teil des Landkreises Karlsruhe, so die Pressemeldung des Kreisfeuerwehrverbands Landkreis Karlsruhe. In den Kraichtaler Stadtteilen Menzingen und Neuenbürg schoss das Wasser wie ein reißender Fluss die Straßen entlang. In Menzingen wurde die Ortsmitte rund um die Heilbronner Straße komplett unter Wasser gesetzt. Der Neubau an einer Tankstelle und ein gegenüberliegendes Autohaus waren betroffen. Auch unzählige Keller liefen voll. Auf den Straßen stand das Wasser zeitweise bis zu 80 Zentimeter hoch. Auch der Strom viel im kompletten Ort über Stunden aus.

Teile der Stadt Kraichtal traf es innerhalb von zehn Tagen zum zweiten Mal. Feuerwehrkommandant Mathias Bauer berichtete von Kellern, die wieder unter Wasser standen, nachdem sie bereits kurz nach Pfingsten von einem Gewitterregen mit Wasser und Schlamm geflutet worden waren. 

In Kraichtal waren nach Bauers Angaben in der Nacht rund 140 Feuerwehrleute im Einsatz, die am Morgen zum Teil von Mitarbeitern des Bauhofes abgelöst wurden. «Das ist neu», sagte der Kommandant zu der Häufung solcher starken Regenfälle. Um mehrere Hundert Meter Straßen vom Schlamm zu befreien, setze die Stadtverwaltung Radlader, Schneeräumer und Kehrmaschinen ein. In den leergepumpten Kellern versuchten Bewohner und Helfer, den Schlamm mit Schaufeln und Eimern zu beseitigen, bevor er trocknet und hart wird.

Volle Keller und Stromausfälle

Auch im benachbarten Östringen liefen wieder viele Keller voll, berichtete Hauptamtsleiter Wolfgang Braunecker. Ein Problem seien die Hanglagen. Da zum Beispiel die Maispflanzen noch sehr klein seien, würden große Erdmassen von den Feldern in den Ort geschwemmt. Die eigene Messstation an der Kläranlage habe 49 Liter Regen je Quadratmeter innerhalb von 25 Minuten gemessen. Ein Sportplatz, der bereits kurz nach Pfingsten vom Schlamm überflutet worden war, sei jetzt noch schlimmer betroffen, sagte Braunecker.

Auch in Oberderdingen, Bretten, Sulzfeld, Kürnbach, Bruchsal und Ubstadt-Weiher waren die Freiwilligen Feuerwehren bis in die Morgenstunden hinein im Dauereinsatz. Unzählige Keller liefen voll, Straßen wurden überflutet, Bachläufe traten teilweise über die Ufer und Bäume stürzten um.

Die Feuerwehren füllten Sandsäcke um Häuser zu schützen, welche noch nicht vom Wasser geflutet wurden. In mehreren Gemeinden schlugen Blitze ein, welche zu anschließenden Stromausfällen führten. Die Stromversorger waren die ganze Nacht im Einsatz.
Insgesamt mussten die Feuerwehren im Landkreis Karlsruhe mit insgesamt über 300 Einsatzkräften zu über 200 unwetterbedingten Einsätzen in der Nacht ausrücken. Die Aufräumarbeiten dauerten bis in die Morgenstunden an. Zurück blieben Straßen voller Schlamm.

Autor: pol/fw/tok/dpa