Bretten -  19.05.2020
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Über 20.400 Mitarbeiter von Kranken- und Pflegeeinrichtungen mit Coronavirus infiziert - In Bretten wurde das zur Katastrophe

München/Berlin/Bretten. Sie sind besonders dem Coronavirus ausgesetzt und sie müssen besonders geschützt werden, weil sie sich um andere kümmern, die dringend auf Hilfe angewiesen sind. Seit Beginn der Corona-Krise haben sich dem Robert-Koch-Institut (RKI) zufolge in Deutschland mehr als 20.400 Mitarbeiter von Kranken- und Pflegeeinrichtungen mit dem neuartigen Virus infiziert. In manchen Fällen konnte man einzelne infizierte Helfer in den Einrichtungen zügig ersetzen, in anderen Fällen, wie etwa im Altenheim in Bretten-Neibsheim, entwickelte sich aus den Infektionen eine Katastrophe.

80 Prozent der Heimbewohner in Bretten-Neibsheim infiziert

Covid-19-Ausbrüche gab es auch in anderen Pflegeheimen, im Enzkreis zum Beispiel in Straubenhardt und Remchingen, in der Nachbarschaft im Kreis Calw zum Beispiel in Schömberg. Sehr oft waren diese Infektionen auch mit Todesfällen unter den Heimbewohnern verbunden. Am schlimmsten landesweit hat es jedoch ein Seniorenheim in Bretten-Neibsheim erschwischt. Über 200 Heimbewohner und Mitarbeiter haben sich angesteckt. Von rund 180 Senioren, die dort leben, wurden knapp 80 Prozent infiziert. Mindestens 36 Heimbewohner sind in Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben. Etwa ein Drittel aller Infizierten waren Mitarbeiter des Pflegeheims – und das bereitete große Probleme bei der Versorgung der infizierten und vor allem auch der nicht betroffenen Heimbewohner, denen man mit extra großer Vorsicht begegnen musste, um sie nicht den gefährlichen Folgen einer Erkrankung auszusetzen. Es fehlte über einen längeren Zeitraum in Bretten geschultes und einsatzfähiges Pflegepersonal.

Clarita Kosel, Pflegedienstleiterin im Altenheim Haus Schönblick in Bretten (Kreis Karlsruhe) ist stolz auf ihre Mitarbeiter, dankbar auch für das Verständnis der Angehörigen und die Hilfe von Freiwilligen. Hinter der Einrichtung im Kraichgau, die vom schwersten Covid-19-Ausbruch in Südwest-Heimen betroffen ist, liegen schlimme und kummervolle Wochen, nicht nur weil es 36 Corona-Todesfälle gab. Anfangs hatte das Personal nach Worten Kosels kaum Schutzausrüstung, inzwischen gebe es ausreichend. «Die Situation muss nur schlimm genug sein, und plötzlich hat man Unterstützung seitens der Behörden», sagt sie. 

Personal in Gesundheitseinrichtungen nur punktuell getestet

Von den in Deutschland mehr als 20.400 infizierten Mitarbeitern von Kranken- und Pflegeeinrichtungen haben laut RKI mittlerweile geschätzte 19.100 Menschen die Infektion überstanden. Alleine in Krankenhäusern, Praxen, Dialyseeinrichtungen und bei Rettungsdiensten verzeichnete das RKI bislang mehr als 11.800 Corona-Fälle (Stand 18. Mai).

In Pflege- und anderen Wohneinrichtungen waren es mehr als 8500 Infektionen. Insgesamt 895 erkrankte Mitarbeiter mussten demnach stationär behandelt werden, 61 sind gestorben.

Personal in Gesundheitseinrichtungen werde allerdings nur punktuell auf das Virus getestet, schreibt die «Süddeutsche Zeitung» in ihrer Dienstag-Ausgabe. Das RKI habe auf Anfrage der Zeitung eingeräumt, es sei dem Institut nicht bekannt, wie umfassend in den Einrichtungen getestet werde. 

Bundesweit sind bis Dienstagvormittag über 175.100 Infektionen mit dem Coronavirus registriert worden (Vortag Stand 10.15 Uhr: mehr als 174.700 Infektionen). Mindestens 7976 mit dem Erreger Sars-CoV-2 Infizierte sind den Angaben zufolge bislang bundesweit gestorben (Vortag Stand 10.15 Uhr: 7934). Das geht aus einer Auswertung der Deutschen Presse-Agentur hervor, die die neuesten Zahlen der Bundesländer berücksichtigt.

Hohe Dunkelziffer

Die Reproduktionszahl, kurz R-Wert, lag nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Montag bei 0,91. Das bedeutet, dass jeder Infizierte im Mittel etwas weniger als eine weitere Person ansteckt. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen etwa eineinhalb Wochen zuvor ab.

Seit Donnerstag gibt das RKI zudem ein sogenanntes 7-Tage-R an. Es bezieht sich auf einen längeren Zeitraum und unterliegt daher weniger tagesaktuellen Schwankungen. Nach RKI-Schätzungen lag dieser Wert bei 0,82. Er zeigt das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen.

Nach Angaben des RKI haben in Deutschland rund 155.700 Menschen die Infektion überstanden. Wie für andere Länder rechnen Experten aber auch in Deutschland mit einer hohen Dunkelziffer nicht erfasster Fälle.

Baden-Württemberg hat national die dritthöchste Zahl an Infizierten und zweithöchste Zahl an Todesfällen 

Besonders hohe Zahlen registrierter Infektionen haben den Statistiken der Bundesländer zufolge Bayern mit mehr als 45.800 nachgewiesenen Fällen und mindestens 2306 Toten, Nordrhein-Westfalen mit mehr als 36.300 Fällen und mindestens 1511 Toten sowie Baden-Württemberg mit mehr als 34.000 bestätigten Fällen und mindestens 1664 Toten.  

Gerechnet auf 100.000 Einwohner verzeichnet Bayern mit einem Wert von 350,4 die meisten Infektionen. Im Bundesschnitt waren es 210,7. Allerdings ist die Anzahl der erfolgten Tests pro 100.000 Einwohner in den Bundesländern unterschiedlich hoch.

 

Autor: dpa/tok