318 Millionen Euro für Pforzheim, Enzkreis und Kreis Calw: Wie das Sondervermögen aus Berlin eingesetzt werden könnte
Berlin/Pforzheim/Enzkreis/Kreis Calw. Die schwarz-rote Bundesregierung sieht im beschlossenen Sondervermögen von 500 Milliarden Euro die Chance, massiv in die Infrastruktur, Klimaschutz und damit die Zukunftsfähigkeit des Landes zu investieren. Die Kreise und Kommunen, die unter ihrer Aufgabenlast ächzen, fordern ihren Anteil – und bekommen ihn nun. Knapp 8,8 der 13,1 Milliarden Euro, die Baden-Württemberg vom Bund bekommt, will das Land direkt weiterreichen. Gut 318 Millionen Euro davon sollen den Berechnungen zufolge in Pforzheim und der Region ankommen. Die PZ hat bei hiesigen Abgeordneten, Kreis- und Gemeindevertretern nachgefragt, wie sie den angekündigten Geldregen bewerten.
Das Landesfinanzministerium hat die genaue Verteilung öffentlich gemacht, über die zuvor schon die Pforzheimer SPD-Abgeordnete Katja Mast informiert hatte. Dem Ministerium zufolge kann die Stadt Pforzheim demnach in den kommenden zwölf Jahren nicht nur mit 70, sondern sogar mit 100 Millionen Euro rechnen, der Enzkreis mit 40,9, die 28 Gemeinden im Enzkreis zusammen mit 125 und der Kreis Calw mit 34,5 Millionen Euro. In die Calwer Gemeinden im Verbreitungsgebiet der PZ sollen rund 17,5 Millionen Euro fließen.
Mast freut sich:
„Wir wollen, dass die Menschen in Pforzheim und dem Enzkreis sehen: Hier bewegt sich etwas. Hier können endlich Dinge umgesetzt werden, für die lange kein Geld da war.“
Dass „die Mittel pauschal weitergegeben werden, nicht über aufwendige Förderprogramme mit hohem Verwaltungsaufwand“, begrüßt der Pforzheimer CDU-Abgeordnete Gunther Krichbaum. Wichtig sei auch, dass die Kommunen bei den Investitionen „nicht an das Kriterium der ,Zusätzlichkeit‘ gebunden“ seien. Das habe der Bundestag bewusst entschieden, weil das Geld wegen fehlender Planungskapazitäten sonst in den Städten und Gemeinden vermutlich überhaupt nicht hätte genutzt werden können.
Der Calwer CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus Mack, gleichzeitig Vorsitzender der AG Kommunalpolitik der CDU/CSU-Fraktion, erklärte: „Wenn auf den Landkreis Calw am Ende tatsächlich rund 34,5 Millionen Euro entfallen, ist das ein großer Erfolg von Bund und Land.“
Das Geld helfe, „die dringendsten Projekte vor Ort anzugehen und wirtschaftliche Impulse zu setzen.“ Aber der Investitionsrückstand der Kommunen liege laut KfW-Bank bei über 215 Milliarden Euro: „Das können die Mittel nicht vollständig ausgleichen.“ Und auch die Finanznot der Kommunen, verursacht „durch rasant aufwachsende Personal- und Sozialausgaben“, werde damit nicht gelöst.
„Gerade bei den Kommunen türmt sich ein riesiger Investitionsstau auf, der sich längst im Alltag bemerkbar macht“, begrüßte die Calwer SPD-Abgeordnete Saskia Esken die Mittel. Die Bürgermeister und Kreisvertreter aus der Region hat die PZ gefragt, für welche Projekte das Geld eingesetzt werden könnte.
„Was tun, damit es aufwärts geht“
„Offiziell weiß ich noch gar nichts von unserem Glück“, sagt Neulingens Rathauschef Michael Schmidt. Gut findet er das Bundesprogramm aber auf jeden Fall. Auch dass Neulingens 4,16 Millionen streng an Investitionen geknüpft sind. „Im normalen Haushalt würde das sonst verpuffen“, sagt Schmidt. Seine Gemeinde habe zwar keinen Bedarf, beim Zustand der Gebäude nachzulegen – sehr wohl aber bei energetischen Sanierungen. Auch ein zentrales Feuerwehrhaus wäre eine Option. Schnell klären will er, wie genau das Geld ausbezahlt wird – einmal auf Antrag oder zeitlich gestreckt.
„Projekte ohne Kredite finanzieren“
Für die Stadt Pforzheim springen beim Sondervermögen insgesamt sogar 100 Millionen Euro heraus. 70 Millionen für die Stadt und nochmals rund 30 Millionen, weil die Stadt gleichzeitig ein Stadtkreis ist. Über die Laufzeit von zwölf Jahren sind das 8,4 Millionen Euro pro Jahr. „Da wir als Stadt personell nur eine begrenzte Anzahl an investiven Projekten pro Jahr stemmen können, helfen uns die Infrastrukturmittel dabei, vorgesehene Projekte ohne Kredite zu finanzieren“, so Pressesprecher Philip Mukherjee. Weil so der Kreditrahmen eingehalten werde, könnten Kredite für den Kauf des Technischen Rathauses verwendet werden, wie ihn OB Peter Boch vor zwei Wochen ins Spiel brachte. Das werde dem Gemeinderat so vorgeschlagen.
„Das löst kein Finanzproblem“
Enzkreis. Wir freuen uns über jeden Cent mehr“, sagt Enzkreis-Landrat Bastian Rosenau. Die avisierten 40,8 Millionen Euro rechnet Finanzdezernent Frank Stephan aufs Jahr herunter. Rund 3,5 Millionen jährlich wären das und würden den Kreishaushalt enorm entlasten. Wenn man für teure Projekte wie Sanierung und teilweisen Neubau des früheren Gustav-Heinemann-Schulhauses keinen Kredit aufnehmen müsste.
Insofern würde das Geld aus Berlin dem Enzkreis finanziell Luft verschaffen. Doch strukturell löse das kein einziges Finanzproblem der Kreise, sagt Rosenau. Die hätten kein Problem mit Einnahmen, sondern mit viel zu hohen Ausgaben. Löse man das nicht, müsse einem vor den kommenden Jahren himmelangst werden.
„Das Geld hilft richtig weiter“
„Wir hatten mit 3,49 Millionen Euro gerechnet – jetzt bekommen wir 3,52 Millionen“, sagt Tiefenbronns Rathauschef Frank Spottek. Und dieses Geld helfe trotz früher Unkenrufe zu dem Sonderprogramm richtig weiter. Zwar nicht bei laufenden Projekten wie der Sanierung der Gemmingenhalle. Aber genügend neue Vorhaben hat man im Hinterkopf: Wasserversorgung in Mühlhausen, Sanierung eines Kindergartendachs oder die Gewerbegebietserschließung. Einziger Wermutstropfen für Spottek: Nach bisherigen Signalen rechnet er mit viel Bürokratie bei Auszahlung und dem Nachweis der Ausgaben.
„Geld federt Defizit ab“
„Das Geld ist willkommen – es wird die strukturellen Probleme vieler Kommunen aber nicht lösen“, sagt Knittlingens Bürgermeister Alexander Kozel zu den 5,1 Millionen Euro, die der Fauststadt aus dem Sondervermögen des Bundes zufließen. „Diese Summe federt unser Defizit etwas ab, mehr aber nicht“, ergänzt Kozel und weist darauf hin, dass es sich eigentlich um „Sonderschulden“ handelt, die der Bund wieder erwirtschaften müsse. In Knittlingen wolle man das Geld auch für Straßensanierungen verwenden. „Das passt“, sagt er, denn dafür seien 500.000 Euro jährlich im Etat eingeplant.
„Kann nur ein erster Schritt sein“
Für Schömberg sind die rund 5,3 Millionen Euro vom Bund der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein, wie Rathaussprecherin Stefanie Stocker mitteilt. Das Geld decke nur einen kleinen Teil des Sanierungsstaus ab. Allein im Bereich des Bauamtes bestehe für die Straßenunterhaltung ein Sanierungsstau von mindestens neun Millionen Euro, für die Hochbauunterhaltung von mindestens elf Millionen Euro. Finanzielle Mittel würden beispielsweise auch bei den Kitas oder der Feuerwehr fehlen. „Das kann nur ein erster Schritt sein und allen Beteiligten ist auch klar, dass die Gemeinden vor allem Unterstützung bei der Bewältigung ihrer Aufgaben im laufenden Betrieb benötigen“, unterstreicht Bürgermeister Matthias Leyn.
„Dankbar für den Booster“
„Wir sind dankbar und freuen uns sehr über den Booster in dieser angespannten finanziellen Lage für Kommunen im ganzen Land“, sagt Remchingens Bürgermeisterin Julia Wieland. Man werde nun überlegen, wie das Geld am sinnvollsten eingesetzt werden könne. Beispielsweise in die Sanierung von Straßen oder auch in die Schulen, bei denen es einen Investitionsstau von mehr als 16 Millionen Euro gebe. „Da wären die 7,4 Millionen ein Schritt in die richtige Richtung.“ Die Vorgaben seien so breit gefächert, dass es genügend geeignete Projekte gebe. „Wir werden das Geld gut verwenden.“
„Trojanisches Pferd“
Natürlich eine tolle Sache, so ein finanzielles Geschenk aus dem Investitionssondervermögen des Bundes. Das findet auch Birkenfelds Bürgermeister Martin Steiner, dessen Gemeinde 5,76 Millionen erhält. Doch dieses Geschenk ist für Steiner eines mit Risiken und Nebenwirkungen. Wie ein trojanisches Pferd, das die große Gefahr in sich trägt. Denn an den Strukturproblemen der kommunalen Haushalte ändere das nichts. Im Gegenteil: „Wenn die Investition realisiert ist, zahlen wir jahrelang die Abschreibungen.“ Es brauche starke Entlastungen bei den Ausgaben, so Steiner: „Es braucht eine andere Politik.“
„Klug damit haushalten“
„Das ist erfreulich und entlastet uns deutlich“, freut sich Bad Wildbads Bürgermeister Marco Gauger über die Finanzspritze von 6,84 Millionen Euro. Er ist allerdings überzeugt davon, dass das Geld „schon deutlich vor Ablauf der Frist“ ausgegeben sein wird: „Diese Wette kann man jetzt schon eingehen.“ Er hat vor allem die gestiegenen Baukosten im Blick. „Nun müssen wir damit klug haushalten“, so Gauger. Und in welche Projekte sollen die Mittel fließen? Auf jeden Fall werde ein Teil für die Sanierung der Schulen benötigt. Ob auch das Sanierungsgebiet Calmbach III förderfähig ist, werde geprüft.
