Aus der Schweiz zurück nach Weiler: Erik Becker zieht es in den elterlichen Mühlenbetrieb
Keltern-Weiler. „1000 Mühlen braucht das Land“, lautet der provokative Titel eines Buchs von Gerhard Waldherr: Darauf angesprochen gibt sich Erik Becker von der Mühle Beck in Weiler tiefenentspannt. Glücklicherweise seien Baden-Württemberg und Bayern noch gesegnet mit vergleichsweise vielen Betrieben: 90 Prozent aller deutschen Mühlen seien im Südwesten und Süden anzutreffen.
Wobei hier zwar besonders viele familiär geprägte Unternehmen vorhanden seien, aber durchaus auch Große der Branche. Das Beispiel, das Erik Becker anführt, beeindruckt durch die schiere Dimension. Während sein Betrieb 500 Tonnen im Jahr produziere, seien es beispielsweise bei Frießinger aus Bad Wimpfen 1000 Tonnen am Tag.
Der 34-Jährige fühlt sich mit Frau Sarah und Töchterchen Mathilda in Weiler wohl. Kein Wunder: Er kommt ja aus Weiler und arbeitet im Familienbetrieb. Und dennoch ist es keine Selbstverständlichkeit. Als Heranwachsender hat er zunächst ein freiwilliges soziales Jahr im Seehaus in Leonberg absolviert, einer Einrichtung für Jugendstrafvollzug in freien Formen. Danach ging es weiter: zur Frankmühle in Bretten, zur Sessler-Mühle nach Renningen und zur Meisterschule nach Stuttgart. Prägend ist sicherlich sein langer Aufenthalt in der Schweiz. Bei den Eidgenossen war er an der Schweizerischen Müllereifachschule in Sankt Gallen tätig und schließlich von 2011 bis 2023 als Reiseobermüller für die Bühler Gruppe aus dem ostschweizerischen Uzwil unterwegs.
Durch die Tätigkeit wird auch klar: Erik Becker hat einen äußerst vielseitigen Beruf, kennt sich aus mit der Mehl-, Grieß- und Schälmüllerei, mit Produkten für die Küche oder fürs Müsli, nicht zuletzt auch mit Tierfutter. Jemand, der eine Ausbildung als Verfahrenstechnologe in Mühlen- und Getreidewirtschaft sowie Jahre lange Berufspraxis hinter sich hat, ist bestens gerüstet für die Herausforderungen der Branche. Übrigens eine Branche, die für gut ausgebildete und fleißige Menschen die Türen weit öffne, weiß der Müller aus Weiler. Der Tariflohn als Geselle sei attraktiv, das Handwerk sinnstiftend und zukunftsfähig. Für ihn selber kam in der Schweiz schließlich nach erfolgreichen Jahren der Tag der Entscheidung: „Das musste sein“, sagt der 34-Jährige.
Die Herausforderung lag klar vor dem geistigen Auge: Im heimischen Betrieb in Weiler die Dinge als Jungmüller auch unternehmerisch voranzutreiben, diese Chance wollte er sich letztlich nicht entgehen lassen. „Da möchte ich mich einbringen“, befindet der Familienvater im Gespräch. Und als eine der ersten Maßnahmen wurde die Kapazität der Solaranlage verdoppelt. Pausenlos klingeln derweil im Büro die Telefone, auf dem Miniparkplatz zwischen Verwaltung und Mühle sind dauernd Fahrzeuge unterwegs, werden beladen, Kunden verlassen mit Einkaufskörben oder mit Säcken geschultert den Mühlenshop. Gabelstapler und Sackkarren komplettieren das Gewusel, ein Mikrokosmos mitten in Weiler – und daneben auch noch ein Biomarkt. Wer nur diesen Teil von Weiler kenne, komme zur Einschätzung, dass Weiler ein geschäftiger Ort mit jeder Menge Infrastruktur ist. Doch der Eindruck vom kleinen Geschäftszentrum täuscht. Weiler mit seinen 1300 von in Keltern zusammen über 9000 Einwohnern hat in den zurückliegenden Jahren so manches Angebot verloren, kämpft darum, nicht nur ein kleiner Schlafort zu sein, dem Jahr für Jahr Infrastruktur in Sachen Dienstleistung abhandenkommt.
Käme da so ein Projekt eines Supermarktes nicht gerade recht, wie aktuell im Kelterner Gemeinderat diskutiert? Erik Müller hätte da als Unternehmer zunächst gar nichts dagegen. Es gebe genügend Untersuchungen und Erfahrungsberichte, dass Märkte sich gegenseitig beleben könnten.
Die Mühle Beck, so der 34-Jährige, verfüge über jede Menge Stammkunden aus der Region, aus Keltern und den Nachbarkommunen ebenso, wie aus dem Raum zwischen Pforzheim und Karlsruhe insgesamt. Das Mühlenangebot könne sich sehen lassen und der Kauf in der Mühle rechne sich für den Direktkäufer, zumal er im Shop die komplette Produktpalette vorfinde. Es sei denn, es ist etwas vergriffen. Das kommt durchaus vor, wie eine Kundin im Laden feststellt. Immerhin: Im Shop finden sich nicht nur Mehl und Grieß, sondern nebst Nudeln und Gewürze auch Honig und Gemüse.
Wer denke, dort sei alles „bio“, täusche sich. Die Mühle Beck sei auch deshalb so erfolgreich, befindet der Jungmüller, weil man bei der Vielfalt die Kundenwünsche berücksichtige. Bio und konventionell stünden in einem bewährt austarierten Gleichklang. Wichtig sei die Nähe zu den Lieferanten, die Regionalität: Linsen und Hirse etwa kämen von Feldern aus der Region. Die Nachfrage im Shop stelle einen Beitrag dar, die Vielfalt auf den heimischen Feldern zu garantieren. Von den Produkten profitiere jeder: Müller, Kunde und Landwirt.
Schwierige Gemengelage
Dass der Jungunternehmer dennoch mit der Vorstellung eines großen Marktes auf der grünen Wiese fremdelt, hat mit seiner Vorstellung von Nachhaltigkeit und Dorfcharakter zu tun. So ein Markt an exponierter Lage direkt am Ortseingang würde das Erscheinungsbild deutlich ändern und guter Boden würde für ein Projekt geopfert. Im Übrigen profitiere Keltern mit dem Nahkauf in Dietlingen und dem Penny an der Niebelsbacher Grenzsägmühle bereits von zwei Markterweiterungen. Hinzu komme, dass ein weiteres halbes Dutzend Einkaufsmöglichkeiten für Menschen aus Weiler mit dem Auto nur einen Katzensprung entfernt seien, etwa am Standort Ittersbach.
Derweil demonstriert Erik Becker an einigen Maschinen die Arbeit in der Mühle. Während er die Geräusche als durchaus erträglich empfindet, wird es für den ungeübten Betrachter schon recht laut. Bei eingeschalteter Maschine eine angeregte Konversation hinzulegen, gestaltet sich schwierig. Alles in allem unterstreicht die Geschäftigkeit auch an dieser Stelle: In der Mühle Beck ist immer ordentlich was los. Um den üblichen Stoßzeiten zu entkommen, gibt der Jungmüller den Tipp, es doch gleich mal morgens oder unmittelbar nach dem Mittag zu probieren.
Apropos Mühle Beck. Der Mühlenname und der Familienname führten immer wieder zu Nachfragen. Die Mutter sei eine gebürtige Beck und der Familienname des Vaters Martin eben Becker. Das mit Beck und Becker sei aber ein zufälliger, ähnlicher Gleichklang.
Viele weitere Informationen zur seit 1740 bestehenden Mühle Beck im Kelterner Ortsteil Weiler sind zu finden im Internet unter: www.muehle-beck.de.
