Gemeinden der Region
Enzkreis -  23.10.2018
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Enzkeis-Sicherheitskonferenz: Flüchtlingsfrauen besonders bedroht

Enzkreis. Der brutale Mord an einer Syrerin in Mühlacker und die Messerattacke auf eine Afghanin in Heimsheim – die beiden Fälle, die die Region schockiert haben, werfen ein Schlaglicht auf ein wachsendes Problem: Gewalt gegen Frauen unter Flüchtlingen. Deshalb hat der Enzkreis seine dritte Sicherheitskonferenz diesem Thema gewidmet. „Beide Taten haben tiefe Betroffenheit und Hilflosigkeit ausgelöst“, so Katja Kreeb, Sozialdezernentin des Enzkreises, am Dienstagmorgen im Landratsamt zu Beginn der Veranstaltung. „Wir wollen alles tun, um eine Wiederholung zu vermeiden.“

Und so konnten sich die Helfer direkt von Vertretern der Polizei, Jugendhilfe, Kommunen und Sozialbetreuung informieren lassen, auch ein Familienrichter gab Auskunft. Es gab Vorträge zu allgemeinen Abläufen und Workshops zu konkreten Fällen, damit die Ehrenamtlichen im Notfall wissen, wo sie Hilfe bekommen und wer die richtigen Ansprechpartner sind. Integrationsmanagerin Isabel Hansen hatte alle Informationen in einem Heft zusammengefasst und das richtige Vorgehen in einer Übersicht dargestellt.

Wie Sozialdezernentin Kreeb betonte, seien Übergriffe auf Frauen unter den knapp 3000 Flüchtlingen, die in den 28 Enzkreis-Kommunen untergebracht sind, zwar die Ausnahme. Sie sagte aber auch: „Manche Abläufe haben wir unterschätzt.“ Es dauere wohl etwas länger, bis viele Flüchtlinge tatsächlich in ihrer neuen Heimat angekommen sind. Das Thema nehme an Bedeutung zu, das merke man bei den Fachstellen. Integrationsmanagerin Isabel Hansen wurde konkret: In vielen Heimatländern der Geflüchteten sei Gewalt gegen Frauen akzeptiert und kein Straftatbestand. Hinzu komme, dass die Erfahrungen auf der Flucht auch Auswirkungen auf die Beziehung zwischen Eheleuten hätten. In Deutschland hinderten dann oft fehlende Sprachkenntnisse die Frauen daran, sich Hilfe zu holen. Ein weiterer Auslöser für Probleme: So mancher Mann komme nicht damit zurecht, dass seine Frau hier selbstbestimmt leben könne – und das auch tue. In den Fällen in Mühlacker und Heimsheim hatten sich die Frauen übrigens jeweils von ihren Männern getrennt.

Bei den Vorträgen der Fachleute informierte Tanja Göldner, Leiterin des ökumenischen Frauenhauses in Pforzheim, zunächst über die Arbeit der Fachstelle für häusliche Gewalt, wo im vergangenen Jahr 214 Fälle bearbeitet wurden. Bis September diesen Jahres wurden Betroffene bereits 164 Mal beraten. Im Frauenhaus seien derzeit alle 26 Plätze belegt, so Göldner weiter. Dort leben sieben Frauen (mehrheitlich mit Migrationshintergrund) mit ihren 19 Kindern. Insgesamt wurden in diesem Jahr bisher 36 Frauen und 75 Kinder aufgenommen, betreut und beraten. Ein Teil zog schließlich in eine neue Wohnung um, ein Teil ging zurück zum Ehemann.

Dunkelfeld hoch

Beatrice Suppes von der Kriminalprävention des Polizeipräsidiums Karlsruhe erklärte die Möglichkeiten der Beamten, um die Lage vor Ort zu beruhigen. Oftmals werde der Täter der Wohnung verwiesen, bis zu vier Tagen muss er seinem Zuhause dann fernbleiben. Die Auflage könne das Ordnungsamt auf bis zu vier Wochen verlängern. Wolfgang Schick von der Kriminalprävention berichtete, dass es pro Jahr rund 100 Fälle von häuslicher Gewalt in Pforzheim und 60 im Enzkreis gebe. Das lasse jedoch keine Rückschlüsse zu: „Das Dunkelfeld in diesem Bereich ist sehr hoch.“

Ulrich Saur vom Ordnungsamt in Mühlacker betonte, dass man in der Verwaltung „eine gewisse Routine“ bei diesen Fällen (bis zu fünf pro Jahr) entwickelt habe. Eine Besonderheit bei Flüchtlingen mache die Arbeit kompliziert: Sie sind einer bestimmten Kommune zugeordnet, des erschwere im Notfall die räumliche Trennung von Männern und Frauen.

Der Austausch soll den Ehrenamtlichen ihre Arbeit erleichtern, betonte Sozialdezernentin Katja Kreeb. „Unser Hilfenetz soll problemlos funktionieren.“

Autor: Sabine Mayer-Reichard