Gemeinden der Region
Enzkreis -  13.04.2022
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„Ich möchte etwas zurückgeben“: Im Interview mit Paul Czerkies

Enzkreis. Zuerst beim Impfen, jetzt bei der Hilfe für die Ukraine: Das ehrenamtliche Engagement von Paul Czerkies ist außergewöhnlich. Was er in seiner Freizeit, neben seinem Beruf im Hauptzollamt Stuttgart noch alles leistet, lässt sich kaum aufzählen.

So hat er etwa mit dem örtlichen Roten Kreuz in Neuenbürg eine Spendensammelaktion auf die Beine gestellt. Die PZ hat dort mit ihm gesprochen.

PZ: Sind Sie mit dem Verlauf der Spendenaktion zufrieden?

Paul Czerkies: Ja, ich bin sehr zufrieden – vor allem mit dem Material, das wir gespendet bekommen haben. Es waren relativ viele Medikamente und Verbandsmaterialien dabei, die in der Ukraine gerade dringend gebraucht werden. Denn dort wird es immer schlimmer mit den Angriffen. Es ist heute zwar nicht so viel abgegeben worden wie in anderen Ortschaften, aber dafür gezielter das, was man vor Ort wirklich braucht.

Können Sie Ihre Eindrücke von den vergangenen Hilfsaktionen schildern? Hat es da im Lauf der Zeit eine Entwicklung oder Veränderungen gegeben?

Die Hilfsbereitschaft und die Solidarität sind ungebrochen. Die Leute spenden bei uns gerne, weil ich Rede und Antwort stehe, erkläre und zeige, wo die Spenden hinkommen. Dadurch fühlen sich die Leute sicher und wissen, dass ihre Spende etwas bewirkt. Eine Veränderung ist, dass inzwischen immer mehr Menschen aus der Ukraine hier in Deutschland sind. Vor ein paar Wochen haben wir die Spenden noch ausschließlich nach Polen an die Grenze zur Ukraine gefahren, jetzt brauchen wir auch vermehrt Einrichtungsgegenstände für die Unterkünfte der hier lebenden Ukrainer.

Sie haben auch viel Kontakt zu ukrainischen Flüchtlingen. Wie nehmen Sie deren Situation wahr? Profitieren sie von den Hilfsangeboten?

Das kommt stark darauf an, wie stark die Verwaltungen und die Behörden vor Ort sich darum kümmern und einsetzen. Bürgermeister Heiko Faber aus Kieselbronn ist da ein positives Beispiel: Da geht immer was. Da, wo es klemmt, springe ich dann auch mal ein.

Wie geht es den Ukrainern, wenn sie nach Deutschland kommen?

Ich erlebe sie als traurig, sehr zurückhaltend, teilweise auch traumatisiert. Man muss sich das einmal vorstellen: Sie werden von heute auf morgen aus dem normalen Leben gerissen und sind hier dann wirklich abhängig von anderen. Gleichzeitig habe ich festgestellt, dass sie mit der Zeit immer mehr Vertrauen fassen – gerade, wenn man ihnen die Unterkünfte einrichtet und ihnen mehr Selbstständigkeit ermöglicht. Aber es gibt auch Phasen, die sehr bedrückend wirken. Etwa, wenn sie am Telefon Infos aus der Heimat erfahren. Tatsächlich ist es so, dass die meisten die Hoffnung haben, dass sie schnellstmöglich zurück in die Ukraine können. Sie wollen sich dann auch gar nicht großartig hier einrichten. Wenn man ihnen Möbel anbietet, lehnen sie teilweise ab, weil sie davon ausgehen, dass ihr Aufenthalt hier bald vorbei sein wird.

Nun sind die Hilfsaktionen für ukrainische Flüchtlinge nicht das einzige, was Sie in der Region schon auf die Beine gestellt haben. Auch mehrere Impfaktionen gehen auf Ihr Konto. Wie ist es dazu gekommen?

Ich wurde abgeordnet von der Bundeszollverwaltung an die kommunale Ebene, denn der Bund hatte angeboten, die Kommunen bei der Pandemiebekämpfung zu unterstützen. Es gab bei uns eine interne Ausschreibung, wer sich vorstellen könnte, bei der Kontaktnachverfolgung zu helfen. Ich habe mich da gemeldet und bin ans Gesundheitsamt für Pforzheim und den Enzkreis gekommen. Später kam dann die Anfrage, ob ich mir vorstellen könnte, im Bereich Impfen zu helfen. Ein Bereich, von dem damals noch keiner wusste, was uns erwarten würde. Aber ich wollte das machen, denn ich würde sagen, dass ich schon ein Typ bin, der Herausforderungen sucht und schnell flexible Lösungen findet. Von Januar bis August war ich in Pforzheim und dem Enzkreis tätig und konnte viele Kontakte knüpfen. Man war überall zufrieden mit dem, was ich gemacht habe.

Als dann die Drittimpfungen anstanden, ist man dann wieder auf mich zugegangen, obwohl ich da ja schon wieder bei meiner eigentlichen Arbeit im Hauptzollamt Stuttgart war. Aber weil ich mein Netzwerk noch hatte, habe ich mich dazu bereiterklärt. Und es gibt immer noch Impfaktionen. Erst vor kurzem hatte ich eine mit 55 Dosen in einer Justizvollzugsanstalt.

Warum machen Sie das alles? Schließlich könnten Sie Ihre Freizeit doch auch anders verbringen.

Ich habe normalerweise auch zahlreiche Hobbys, wenn es keine Katastrophen wie den Krieg oder die Pandemie gibt, die ja auch noch nicht vorbei ist. Ich könnte jetzt nicht mit gutem Gewissen meinen Freizeitaktivitäten nachgehen, wenn ich weiß, dass woanders Menschen leiden, auch die Kinder. Das könnte ich nicht ertragen. Das hängt auch mit meiner persönlichen Situation zusammen: Als ich selbst mit 14 aus Polen nach Deutschland gekommen bin, hat mir die Elterninitiative Buckenberg-Haidach-Hagenschieß sehr geholfen. Da möchte ich auch etwas zurückgeben.

Zur Person:

1983 in Schlesien in Polen geboren, kam Paul Czerkies mit 14 Jahren nach Pforzheim, wo er auf dem Haidach aufwuchs. Nach der Mittleren Reife absolvierte er eine Ausbildung zum Bürokaufmann. 2006 wechselte er in den Justizvollzugsdienst, 2019 zum Hauptzollamt Stuttgart, wo er bei der Kontrolleinheit Flughafenüberwachung tätig ist. Als Zollbeamter ist er im Bereich der Reisenden-Abfertigung tätig. Als Zollhauptsekretär kümmert er sich darum, dass keine Schmuggelware ins Land kommt und Waren ordnungsgemäß verzollt werden. Czerkies ist Vorsitzender des Ortsverbands Flughafen Stuttgart und Mitglied des württembergischen Bezirksvorstands der BDZ – Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft. Neben seinem Beruf arbeitet Czerkies ehrenamtlich in der Jugendarrestanstalt Rastatt mit straffällig gewordenen Jugendlichen, er ist Mitglied beim Roten Kreuz in Kieselbronn und seit 2004 im ehrenamtlichen Polizeidienst.

Autor: Nico Roller