Nach Natenom-Unfall: Neuhausener sind der Anfeindungen müde
Neuhausen/Enzkreis/Pforzheim. Seit dem Abend des 30. Januar, als Radaktivist Natenom zwischen Neuhausen und Schellbronn von einem Autofahrer erfasst wurde und an seinen Verletzungen starb, ist über die Biet-Gemeinde viel hereingebrochen. Seit damals tobt in der PZ eine Leserbriefschlacht. Unterstützer des Verunglückten geißelten rücksichtslose Autofahrer und die Gefahr, die das für Radfahrer bedeutet. Kritiker warfen dem Verunglückten eine aggressive Fahrweise vor – teils in der Fahrbahnmitte. Emotionale, harte Worten fielen auf beiden Seiten. „Und richtig heftig ist es im Internet und in Sozialen Netzwerken“, sagt ein langjähriger Gemeinderat wie Martin Volz.
Fühlt sich da eine ganze Gemeinde am Pranger für ein Unglück, das auf einer Landesstraße passiert ist, für die die Kommune nicht zuständig ist? Es gibt Menschen, die sich aus Sorge um Anfeindungen nicht mehr öffentlich zu dem Unfall äußern. Umgekehrt vermissten engagierte Radfahrer Empathie mit dem Verunglückten. Manchen hat es getroffen, dass einige dem Opfer des Unfalls die Schuld zuschieben wollten.
Immerhin, sagen Neuhausener Gemeinderäte wie Volz, Hartmut Lutz oder Gerd Philipp, sind die schwersten Eskalationen nun schon länger her. Da war die Verwüstung der Gedenkstätte an der Unfallstelle auf der einen Seite, auf der anderen Seite beklagen viele Neuhausener, dass anklagende Grablichter in der Gemeinde aufgetaucht seien. Wirbel um das zeitliche Zusammentreffen der Natenom-Gedenkfahrt mit dem Fasnetsumzug in Neuhausen und um Reaktionen auf die Raddemo hatten Öl ins Feuer gegossen. „Es muss mehr Ruhe in die Debatte kommen“, sagt Lutz und wendet sich etwa gegen den Umgang mit dem beteiligten Unfallfahrer im Netz. Der Mann sei nicht nur alles andere als ein Raser, sondern darüber hinaus einer, der sich immer für andere eingesetzt habe. „Gegenseitige Anschuldigungen bringen niemanden weiter“, warnt Philipp. Und Volz sagt: „Bei aller Trauer und Emotionalität wäre Sachlichkeit wichtig.“
Dabei gehen die Blicke auch zu den Unfallermittlern der Polizei. Philipp findet, es würde helfen, wenn es bald Klarheit über den Hergang gäbe. Auch beim ADFC verweist man darauf, dass man über Ursachen und Gründe des Unfalls noch nicht genug wisse. Doch die Untersuchungen dazu sind noch in vollem Gange. „Das Gutachten liegt noch nicht vor“, sagt Polizeisprecher Frank Weber. Die besondere öffentliche Aufmerksamkeit für den Fall sei der Polizei bewusst, aber gerade bei tödlichen Unfällen sei ganz besondere Sorgfalt bei den Ermittlungen wichtig. Genauigkeit gehe vor Schnelligkeit. Auch die Staatsanwaltschaft, die die Akte erhält, sobald die Polizei ihre Ermittlungen abschließt, geht davon aus, dass das noch Zeit braucht, so Sprecher Henrik Blaßies.
Wie sehr der Unfall und die Folgen die Gemeinde noch umtreiben, zeigen zwei Bürgeranträge für die Verkehrsschau, die mit Kommune und Behörden am Mittwoch stattgefunden hat. Einmal ging es um ein Tempolimit auf der Landesstraße und einmal um die Wiederherstellung der Pflicht, den parallel verlaufenden Radweg zu nutzen. Beide Vorstöße würden nicht umgesetzt, sagt Oliver Müller, Leiter des Straßenverkehrs- und Ordnungsamts beim Enzkreis. „Dafür bräuchte es an dieser Strecke eine besondere Gefahrenlage, die wir dort nicht sehen“, sagt er. Die Straße sei eigentlich übersichtlich und weise auch keine Häufung an Unfällen auf. Ein blaues Rad- und Fußwegschild, das bis 2021 Radler noch auf diesen Weg gezwungen hat, könne deshalb nicht wieder kommen. „Radfahrer dürfen die Straße genauso nutzen wie andere Verkehrsteilnehmer“, so Müller. Außer es sprächen etwa enorme Verkehrsmengen und andere Gefahren dagegen wie auf der B 10 zwischen Enzberg und Mühlacker.
Natenom hatte das Ende der Radwegnutzungspflicht zwischen Schellbronn und Neuhausen im eigenen Blog gefeiert. Die Radcommunity würde oft gegen die alten blauen Schilder kämpfen, um nicht auf Radwege ausweichen zu müssen. „In Keltern läuft da sogar eine Klage“, so Müller.
In Neuhausen dagegen verteidigen etwa die Gemeinderäte das Radwegenetz. Philipp, Volz und Lutz erinnern daran, dass die Gemeinde sich schon lange für die Sicherheit der Zweiradfahrer einsetze. Und für Radwege etwa nach Unterhaugstett, wo es vor rund drei Jahren einen tödlichen Radunfall gab. Ein anderes derartiges Unglück war zwischen Schellbronn und Hamberg. Der Schellbronner Gerhard Ketterl kämpft dort für einen alternativen Radweg.
