Gemeinden der Region
Finanzen -  26.02.2024
Artikel teilen: Facebook Twitter Whatsapp

Nach Rüge des Verwaltungsgerichts: Erneute Zusage für Klinikumbau in Nagold

Kreis Calw. Auch beim zweiten Anlauf hat der entsprechende Ausschuss des Kreistags dem weitreichenden Umbau der Kliniklandschaft im Kreis Calw sowie der Fusion zu einer großen Klinikgesellschaft mit großer Mehrheit zugestimmt. Der Ausschuss lehnte zudem einen Antrag der AfD ab, die Debatte zu verschieben. Die erneute Abstimmung war wegen eines Urteils des Verwaltungsgerichts Karlsruhe nötig geworden. Das hatte das Ja des Kreistags vom 18. Dezember aus formalen Gründen im Eilverfahren gekippt, weil den Kreisräten die nötigen Unterlagen zwei Tage zu spät zur Verfügung gestellt wurden. Nach dem Verwaltungs- und Wirtschaftsausschuss muss nun noch der Kreistag den Plänen zustimmen. Der kommt am 18. März wieder zusammen. Die aus Calwer Kreissicht wichtigsten Kernpunkte.

Lauterbach Besuch Campus Calw
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD, dritter von links) hat sich den Bau der Klinik Calw im vergangenen Sommer erklären lassen – damals war beispielsweise noch eine Geburtshilfe am Standort geplant. Foto: Röhr

Die Gynäkologie und Geburtshilfe wird voraussichtlich in diesem Jahr von Calw nach Nagold verlagert und dort mit der Gynäkologie und Geburtshilfe aus Herrenberg konzentriert. In Calw und Herrenberg wird jeweils der Aufbau einer ambulanten Hebammenpraxis vorgesehen.

Die Neurologie Calw bleibt aufgrund der baulichen Situation des Standorts Nagold in den kommenden Jahren zunächst in Calw und wird dann ausgegliedert.

Die Kardiologie Calw, also die Herz-Abteilung, ist ebenfalls vorerst noch in Calw angesiedelt, solange eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen erfolgt. Danach wird auch diese nach Nagold verlagert. Wie die Neurologie rechnet Landrat Helmut Riegger (CDU) mit rund fünf Jahren in Calw.

Nagold wird zum „erweiterten Schwerpunktversorger“ mit insgesamt 292 Betten weiterentwickelt. Die Innere Medizin mit onkologischer Kompetenz (Krebserkrankungen) wird gestärkt, die chirurgische Säule ausgebaut. Das Medizinische Versorgungszentrum wird um weitere Angebote ergänzt, beispielsweise wird ein „ambulanter pädiatrischer Sitz“ (Kinderheilkunde) angestrebt.

Calw wird zu einem Grund- und Regelversorger mit 166 Betten in den Bereichen Orthopädie und Unfallchirurgie, allgemeine Innere Medizin und den Schwerpunkten Geriatrie und Alterstraumatologie weiterentwickelt. Insbesondere die Rheumatologie und Schmerztherapie werden ausgeweitet. Voraussichtlich ab Mitte 2025 wird ein geriatrischer Schwerpunkt für umfassende Altersmedizin mit 60 Betten etabliert.

Insgesamt sollen die Kliniken in Calw, Nagold, Herrenberg, Leonberg und das im Bau befindliche Flugfeldklinikum in Böblingen fusionieren. Die bestehenden Klinikgesellschaften des Klinikverbunds Südwest Konzerns (Klinikverbund Südwest GmbH, Kreiskliniken Böblingen gGmbH, Kreiskliniken Calw gGmbH) werden im Rahmen einer Vollfusion mit Wirkung zum 1. Januar 2024 zur Klinikverbund Südwest gGmbH gebündelt.

Die Fusion erfolgt im Rahmen einer Verschmelzung der drei Gesellschaften. Die bestehenden drei Aufsichtsratsgremien reduzieren sich auf einen Aufsichtsrat.

Kreis Calw muss neues Finanzloch stopfen

Immer neue Finanzprobleme machen dem Calwer Landrat Helmut Riegger und Kämmerer Michael Hopf schwer zu schaffen. Da schlagen im zurzeit geplanten Etat für dieses Jahr vor allem die Verluste der beiden Kliniken in Calw und Nagold mit rund 15 Millionen Euro zu Buche. Aber auch steigende Kosten im Sozial- und Jugendhilfebereich sowie höhere Tarife fürs Personal im Landratsamt wollen im Haushalt aufgefangen sein. Jetzt überraschte Riegger die Kreisräte im Verwaltungs- und Wirtschaftsausschuss, der über das Zahlenwerk diskutierte, mit dem nächsten dicken Brocken: Für die neue Hermann-Hesse-Bahn von Calw nach Weil der Stadt/Renningen müsse die Kreisverwaltung drei Millionen Euro vorfinanzieren, gab er im Fachausschuss bekannt.

Erstmals seit mehreren Jahren will der Kreischef deshalb im bisher üblichen Ringen um die auf 38 Prozentpunkte außerordentlich hoch angesetzte Umlage, die die Städte und Gemeinden in die Kreiskasse überweisen, nicht nachgeben. Der Landrat verlangt dieses Jahr von den Kommunen rund 22 Millionen Euro mehr als 2023, wie die PZ berichtet hat. Die Kreisumlage steigt auf die Rekordhöhe von knapp 103 Millionen Euro. Bisher hatte sich Riegger noch jedes Jahr mit den Fraktionen des Kreistags auf einen Kompromiss verständigt – schließlich kämpfen auch die Gemeinden gegen hohe Kostensprünge an.

Doch diesmal sieht Riegger keinen Spielraum, die Kreisumlage zu drücken. Mitte März wird der Kreistag den neuen Haushalt beschließen. Doch wie reagierten die Kreisräte auf den Kurs der Verwaltung? Bleibt ihnen nichts anderes übrig, als gute Miene zur schlimmen Lage zu machen? Das zeichnete sich im Fachausschuss bereits ab. Wehklagen über all die aktuellen Finanzkrisen zog sich durch die Aussprache.

Fraktionen stimmen zu

Dennoch sagte Kreisrat Jürgen Großmann, Oberbürgermeister aus Nagold, für die CDU: „Zähneknirschend tragen wir die hohe Kreisumlage mit.“ In dieselben Kerben schlugen auch Sprecher der anderen Fraktionen. „Aber wir haben ein dramatisches Ausgabenproblem, doch was sollen wir machen, wenn der Kreis so viele Löcher stopfen muss?“, fragte sich Ebhausens Bürgermeister Volker Schuler als Vorsitzender der Freien Wähler (FWV). „2025 und 2026 bekommen wir ein Fiasko“, sagte Günther Schöttle (AfD). Manchem Bürgermeister im Kreistag wird allerdings der Schreck in die Glieder fahren, sollte die Kreisumlage am Ende der Beratungen so hoch bleiben.

„Ich weiß, dass wir damit die Gemeinden stark belasten, aber letztlich sitzen wir doch alle in einem Boot“, sagte Riegger

Riegger und Hopf hatten ohnehin an allen Ecken und Enden gespart, als sie im Dezember im Kreistag den Entwurf vorstellten. Die Investitionen in diesem Jahr hat der Landrat gegenüber dem Vorjahr um elf Millionen Euro herabgesetzt. Und eine Haushaltskommission von Landratsamt und Kreisräten durchforstete noch den Haushalt, um die Belastungen etwas abzufangen. Doch die zehnprozentigen Kürzungen zum Beispiel für Kulturprojekte, Musikschulen, Sportförderung und Schulsozialarbeit waren nicht viel mehr als Tropfen auf den heißen Stein. Kreiskämmerer Hopf hingegen versucht, mit einem Minderaufwand über alle Etatposten hinweg fast drei Millionen Euro herauszupressen.

Höhere Flüchtlingskosten

Nach oben gestiegen ist mittlerweile der Aufwand für Flüchtlinge und Asylsuchende. Die Plätze in den Gemeinschaftsunterkünften sind durch die Bank voll belegt. Doch was tun? „Wir werden in den kommenden drei Jahren Containeranlagen leihen, aber dafür müssen wir pro Jahr vier Millionen Euro ausgeben“, hatte Riegger bereits angekündigt.

Autor: Ralf Steinert, Bruno Knöller und Dennis Krivec