Gemeinden der Region
Pforzheim -  25.09.2025
Artikel teilen: Facebook Twitter Whatsapp

Neonazi-Verbindung nach Engelsbrand – Ehemaliger Bundeswehrsoldat aus der Region im Fokus des LKA

Pforzheim. Bei einer bundesweiten Razzia des LKA Niedersachsen schlugen die Ermittler auch in Engelsbrand zu. Ihr Ziel: ein suspendierter Soldat mit Verbindungen zu Neonazis in Niedersachsen. 

Foto: screenshot:netzwerkvonkameraden.noblogs.org

Von der Razzia am Engelsbrander Ortsrand ist fast nichts geblieben als Gerüchte. Viele Menschen seien in den vergangenen Jahren zugezogen, erzählt ein alteingesessener Anwohner. Man kenne sich nicht mehr so gut und bekomme kaum etwas mit.

Nur eine Straße weiter sind die Jalousien im ersten Stock eines Mehrparteienhauses heruntergelassen. Der Bewohner soll seit etwa einem Jahr in Engelsbrand leben und ist angeblich verreist.

Nichts deutet mehr darauf hin, dass hier am Dienstag vergangener Woche, am 16. September, Ermittler des Landeskriminalamts Niedersachsen und der Kriminalpolizei Calw im Morgengrauen in das Haus eindrangen. Sie durchsuchten die Wohnung und zwei Fahrzeuge. Still, ohne Aufsehen zu erregen. In einer Pressemitteilung hieß es später, die Beamten suchten nach „Kriegswaffen“.

Kriegswaffen am Ortsrand?

Eine Anwohnerin auf der anderen Straßenseite erinnert sich an einen Kastenwagen vor der Einfahrt ihrer Nachbarn, an mehrere Polizisten und einen Polizeihund, dem die Beamten einen Wassernapf hinstellten.

Neben Schuss- und Kriegswaffen vermutet die Generalstaatsanwaltschaft Celle hier am Engelsbrander Ortsrand Verbindungen zu einem Netzwerk rechtsextremer Ex-Soldaten, Polizisten und Rocker aus Niedersachsen.

Bei dem Verdächtigen aus Engelsbrand soll es sich um einen ehemaligen Bundeswehrsoldaten handeln, inzwischen suspendiert. Als Feldjäger und Personenschützer sei er laut früheren Bekannten international eingesetzt worden. Früheren Bekannten zufolge diente er vor etwa zehn Jahren in Afghanistan. Davor spielte er in Fußballvereinen der Region, unter anderem als Linksverteidiger. Seinen vollständigen Namen kennt die Redaktion, hier nennen wir ihn Tobias N.

Die Zentralstelle Terrorismusbekämpfung der Generalstaatsanwaltschaft Celle ließ vergangene Woche zeitgleich auch in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen Objekte durchsuchen, 13 waren es insgesamt.

Es geht um den „Nordbund“

In Engelsbrand, wo die Ermittler die Wohnung und zwei Fahrzeuge unter die Lupe nahmen, blieb der große Fund aus: An der Wohnanschrift des Beschuldigten seien keine Schusswaffen, also auch keine Kriegswaffen, aufgefunden worden, schreibt Martin Appelbaum, leitender Oberstaatsanwalt in Celle, auf PZ-Anfrage. Stattdessen habe die Polizei acht elektronische Datenträger in Engelsbrand sichergestellt, die nun auf ihre mögliche Beweisrelevanz ausgewertet würden.

Die Ermittlungen zielen laut Staatsanwaltschaft auch auf die „Klärung des mutmaßlichen Fortbestands des ‚Nordbunds‘ und gegebenenfalls von Aktivitäten der möglichen Mitglieder.“

Den acht Beschuldigten im Alter zwischen 32 und 57 Jahren wird vorgeworfen, sich in unterschiedlichen Rollen zu dieser Gruppe zusammengeschlossen zu haben – aus einer klar rechtsextremen Gesinnung heraus.

Nordbund-Verbindungen

Der „Pforzheimer Zeitung“ liegen Hinweise vor, die auf eine Verbindung des „Nordbunds“ zu Tobias N. aus Engelsbrand hindeuten. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der „taz“ und der „Hildesheimer Allgemeinen Zeitung“ hat die PZ Informationen zusammengetragen.

Der „Nordbund“ ist ein mutmaßlich rechtsextremes Netzwerk um den Hildesheimer Neonazi Johannes K., das sich mit einem eigenen Logo, Thorshammer und Tiwaz-Rune inszeniert, wie es in der „taz“ heißt. Es seien gemeinsame Wanderungen unternommen worden, und wie die Staatsanwaltschaft in Celle offenbar vermutet auch Waffen im Besitz der Gruppierung sein.

Unter den Beschuldigten finden sich frühere Soldaten, nach „taz“-Informationen ein Bundespolizist sowie Männer mit Verbindungen zu den „Hells Angels“ und zur verbotenen Neonazi-Organisation „Blood & Honour“.

Laut „taz“ tauchten Namen aus dem Umfeld des „Nordbunds“ bereits im Zusammenhang mit der rechtsextremen Terrorgruppe „NSU“ auf, die zwischen 2000 und 2007 neun Menschen mit Migrationshintergrund und eine Polizistin ermordeten. Neben den Bundeswehr-Kontakten der Verdächtigen ist besonders pikant: Eine Antifa-Infobroschüre dokumentierte Anfang 2022 in einer ausführlichen Recherche Verbindungen zwischen der verbotenen Neonazi-Organisation „Blood & Honour“ und dem neugegründeten „Nordbund“. Auch der Engelsbrander Tobias N. taucht in der Antifa-Recherche mehrfach namentlich und bildlich auf. Kurz nach der Veröffentlichung wurde der Militärische Abschirmdienst (MAD), der Nachrichtendienst der Bundeswehr, in diversen Kasernen gegen mehrere Bundeswehrangehörige aktiv, die dem „Nordbund“ zugerechnet wurden. Ob Tobias N. in diesem Zuge aus der Bundeswehr entlassen wurde, bleibt unbestätigt.

„Du bist doch vom MAD!“

Der Rechtsanwalt Marcus Bartscht aus Hannover hat Tobias N. bereits 2022 in einem Verfahren in Niedersachsen vertreten. Heute sagt Bartscht, er vertrete im Zuge der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Celle einen der Verdächtigen, will aber nicht sagen, wen genau. Die Begründung der Durchsuchungen durch das LKA halte er für oberflächlich. Bartscht behauptet, dass sich der „Nordbund“ seit längerem aufgelöst habe und nicht mehr existiere.

Fragt man in den kleinen Ortschaften der Region nach Tobias N., scheinen viele zu wissen, wer gemeint ist – und zugleich, dass es besser ist, zu schweigen. Ein Mann, der behauptet Tobias N’s. Trauzeuge zu sein, reagiert sofort auf die Frage nach ihm und beschuldigt den Reporter: „Du bist doch vom MAD!“

VG WORT Zählmarke