Pro und Kontra: Braucht es weniger Verwaltungsebenen?
Die FDP möchte die Landkreise in ihrer jetzigen Form auflösen. Das geht aus einem Positionspapier von Parteichef Hans-Ulrich Rülke hervor. «Mit 35 Land- und neun Stadtkreisen, die viele untere Behörden des Landes beherbergen, geht Geschwindigkeit und Kompetenz verloren», heißt es darin. Zwei PZ-Redakteure sind bei dem Thema unterschiedlicher Meinung.
Pro: Lisa Belle, PZ-Redakteurin
In Zeiten des Wahlkampfs kommt Politikern häufig mal eine Idee, die dazu geeignet ist, möglichst viel Wirbel zu verursachen und für Gesprächsstoff zu sorgen. Das macht sich gerne auch die FDP zunutze. Mit Blick auf die Landtagswahl im Frühjahr erstaunt es also nicht, dass die Partei, die um den erneuten Einzug ins Landesparlament bangen muss, ein Fass aufmacht, das Sprengstoff birgt. Während die einen darüber nur den Kopf schütteln und das Thema angesichts der Relevanz der Partei mit einem müden Lächeln vom Tisch wischen, lohnt sich aber durchaus ein Blick auf den Kern der Argumentation. Und das ist – wie schon bei der letzten Verwaltungsreform in den 1970er-Jahren – das Geld. Besser gesagt: das fehlende Geld.
Die finanzielle Lage in Kommunen und Kreisen ist dramatisch. Und es gibt einen massiven Verwaltungsapparat: Kommunen, Kreise, Regierungspräsidien, Land und Bund – alle mit den entsprechenden Parlamenten. Personal, Liegenschaften, Bürokratie, Gezerre um Verantwortung und Zuständigkeiten – all das kostet nicht nur Zeit und Nerven, sondern vor allem auch Geld. In Zeiten wie diesen muss es erlaubt sein, zu hinterfragen, ob das noch richtig eingesetzt ist. Wenn es auch schlanker geht durch die Digitalisierung, Aufgabenübernahme durch KI und Synergieeffekte – warum nicht noch einmal umdenken? Dazu muss dann aber jede Ebene auf den Prüfstand gestellt werden. Auch die Eigenständigkeit kleiner Gemeinden etwa. Aber das würde in Wahlkampfzeiten natürlich keiner laut sagen.
Kontra: Frank Wewoda, PZ-Redakteur
Bewährte Strukturen radikal zerschlagen, um ganz neu anzufangen? Klingt verlockend, ist aber immer wieder krachend gescheitert. Beispiel: Die Polizeireform 2014. Der Landesverband der Deutschen Polizeigewerkschaft beklagte als Ergebnis drei Jahre später den Verlust von Bürgernähe und mehr Bürokratie. Zwölf Großpräsidien waren entstanden, analog zu den jetzt von Hans-Ulrich Rülke ins Spiel gebrachten zwölf Großkreisen. Der Landkreistag warnt davor. „Eine Auflösung der Stadt- und Landkreise hätte lediglich die Konsequenz, dass die Bürgernähe zurückgeht“, sagte der Hauptgeschäftsführer Alexis von Komorowski, und: „Das ist fatal in einer Zeit, in der die Demokratie besonders unter Druck steht.“
Die Bindung zum Gemeinwesen dürfe nicht geschwächt werden. Dann die Kosten: die erste Polizeireform war von 2013 bis 2028 mit 336 Millionen kalkuliert, Einsparungen: 213 Millionen Euro. Die Reform der Polizeireform 2020 kostete wieder extra! Die Zuständigkeit der Kreispolizeibehörden ging zurück an die Landratsämter, Zentralisierung wurde hier zurückgedreht. Kurzum: ein sehr abschreckendes Beispiel für eine große Reform der Verwaltung in ihrer Grundstruktur. Besser wäre es, diese beizubehalten, aber in der Ministerialverwaltung, den Regionalverbänden und den Regierungspräsidien – Stellen, mit denen der Bürger ohnehin kaum zu tun hat – deutlich abzuspecken: Das ist mit weniger Risiko machbar. Und keine Operation am offenen Herzen des bewährten Grundgerüsts.
