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Kreis Calw -  30.09.2025
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Verschwendung von Steuergeldern? Hermann-Hesse-Bahn im Schwarzbuch

Kreis Calw. Nach wie vor werden in Deutschland Steuergelder nicht immer wirtschaftlich verwendet. Dies belegt das 53. Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler einmal mehr eindrücklich. In 100 exemplarischen Fällen wird hier der sorglose Umgang mit dem Geld der Steuerzahler dokumentiert. Dabei geht es von immensen Kostenexplosionen über teure Fehler bis hin zu komplett Skurrilem um Fälle in den verschiedensten Bereichen. Baden-Württemberg ist im diesjährigen Schwarzbuch mit insgesamt elf Beispielen vertreten. Eins davon ist das Projekt Hermann-Hesse-Bahn im Kreis Calw. 

Reaktivierung Hermann-Hesse-Bahn
Die Hermann-Hesse-Bahn hat es ins Schwarzbuch geschafft. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Landrat Riegger zeigt Verständnis

„Ich habe vollstes Verständnis, dass viele Bürgerinnen und Bürger angesichts der Kostensteigerung verärgert sind“, sagt der Calwer Landrat Helmut Riegger mit Blick auf die Hesse-Bahn. „Auch für uns war es nicht vorhersehbar, dass sich die Kosten derart erhöhen würden.“ Es sei schwer nachvollziehbar, aber erklärbar: durch aufbürdende Bürokratie, umfangreiche Planungen, Vorgaben von Regierungspräsidium und EU, Unterbrechungen durch die Corona-Krise sowie steigende Materialkosten. Und: „Die Artenschutzmaßnahmen stehen in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Bausumme“, so Riegger. Dennoch ist er vom Projekt überzeugt: „Es ist ein großer Schritt hin zu nachhaltiger Mobilität und ein wertvoller Beitrag zum Klimaschutz.“ Auch stärke die direkte Anbindung an den Stuttgarter Raum die wirtschaftliche Vernetzung und die Attraktivität des Landkreises. Auch Frank von Meißner, Geschäftsführer des Zweckverbands Hermann-Hesse-Bahn, betont, die Hesse-Bahn werde „einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung der Straßen und zur Verbesserung der Lebensqualität leisten“. 

Geplante Hesse-Bahn immer teurer und später

Das Projekt Hermann-Hesse-Bahn verzögert sich erheblich. Der Betrieb der Bahn soll statt 2018 nun erst Ende 2025 starten. Auch die Kosten sind enorm gestiegen: Im Jahr 2015 lagen die geplanten Baukosten bei 49 Millionen Euro – aktuell liegen die Kostenschätzungen für das gesamte Projekt bei 207 Millionen Euro. Für die Verteuerung und Zeitverzögerung ist unter anderem der Schutz von Fledermäusen ursächlich“, heißt es in dem Auszug über das Projekt aus der Region. 

Seit 1978 fuhr kein Personenzug mehr auf der Strecke der früheren Württembergischen Schwarzwaldbahn, die von Stuttgart über Leonberg, Renningen und Weil der Stadt bis nach Calw führt. Zu Beginn der 2000er-Jahre habe es erstmalig Ideen gegeben, diese Strecke als „Hermann-Hesse- Bahn“ wiederzubeleben, 2006 kamen dann erste Überlegungen für eine Verlängerung der Stuttgarter S-Bahn Linie 6 über Weil der Stadt bis nach Calw auf, heißt es in dem Schwarzbuch. Neun Jahre später hätten sich die Projektpartner Landesverkehrsministerium, die Region Stuttgart, die Landkreise Böblingen und Calw sowie fünf Anrainerkommunen auf die stufenweise Realisierung dieses Bahnprojekts geeinigt.

Das Land wollte sich laut Schwarzbuch mit 50 Prozent an den im Jahr 2015 geplanten Baukosten von rund 49 Millionen Euro beteiligen. Im Sommer 2024 schrillten die Alarmglocken: Jetzt war von Gesamtkosten in Höhe von rund 160 Millionen Euro die Rede, von denen offenbar allein rund ein Drittel für den Artenschutz aufgewendet werden muss. Und inzwischen liegen die Schätzungen für das gesamte Projekt schon bei 207 Millionen Euro, von denen nun insgesamt rund 80 Millionen Euro für den Artenschutz anfallen sollen, heißt es im Schwarzbuch. Mittlerweile hätte sich aber das Land bereit erklärt, rund 75 Prozent der Baukosten zu tragen. Die restlichen 25 Prozent übernehme der Zweckverband Hermann-Hesse-Bahn, der aus dem Landkreis Calw und mehreren Kommunen bestehe. 

Als Problem stellte sich unter anderem heraus, dass rund 1000 Fledermäuse zwei Tunnelröhren, die für den Betrieb der Hesse-Bahn benötigt werden, bevölkern. Zunächst sollten die Tiere durch Vergrämung umgesiedelt werden, doch diese Bemühungen durften nicht weiterverfolgt werden. Schließlich wurde beschlossen, dass in die beiden betroffenen Tunnelröhren eine Trennwand eingezogen wird – quasi ein Tunnel im Tunnel. Mit Hilfe von Ultraschall und Licht sollen die Fledermäuse davon abgehalten werden, in die falsche Röhrenhälfte einzufliegen. Zwei der 18 Fledermausarten taten sich allerdings zunächst schwer damit. Vor Ort hofft man, dass auch diese endlich den passenden Weg finden und das Projekt nicht weiter gebremst wird.

Aus Steuerzahlersicht sei der gesamte Vorgang schwer nachvollziehbar: Die Reaktivierung der Bahnstrecke, für die seit 2001 Untersuchungen verschiedenster Art durchgeführt wurden und auf der ab 2018 Züge fahren sollten, dürfte voraussichtlich nicht vor Ende 2025 abgeschlossen sein, heißt es im Schwarzbuch. Außerdem würden sich die Kosten von ursprünglich geplanten 49 Millionen auf mutmaßlich 207 Millionen Euro erhöht haben. Ein weiteres Großprojekt also, das die meisten Bürger nur noch kopfschüttelnd zurücklassen.

Autor: pm/pz