Vor Ort bei DEKRA in Straubenhardt: PZ-news stellt sich der Hauptuntersuchung
Straubenhardt. Die Hauptuntersuchung steht an. Wer jetzt vor Schreck nicht schon PZ-News wieder geschlossen hat und panisch nach dem Fahrzeugschein sucht, der erfährt beim Blick hinter die Kulissen der DEKRA-Außenstelle in Straubenhardt, warum 20 Prozent der Fahrzeuge durch die Prüfung fallen, wie unterschiedlich Kunden auf ihren Bescheid reagieren und wieso kein Prüfer die heiß begehrten Plastikplaketten jemals auf dem Schreibtisch liegen lassen würde.
Zwanzig bis 40 Fahrzeuge fahren hier in Straubenhardt im Frühjahr pro Tag auf den Hof von Außenstellenleiter Holger Moser. Im Sommer sind es 40 bis 70, denn dann werden deutlich mehr Autos verkauft – die zwei Jahre später das erste Mal überprüft werden müssen. „Grundsätzlich ist es uns am liebsten, wenn wir die Plakette vergeben können“, sagt Moser, der in Dennach wohnt. Ob’s beim Golf Baujahr 1991 klappt?
Prüfung beginnt vor der Garage
Zuerst überprüft Moser den Fahrzeugschein, steigt ein und checkt auf der kurzen Fahrt in die Garage schon die Hupe, Scheibenwischer, alle Schalter und den Kilometerstand. Alles passiert fast gleichzeitig. Routine. Die Wischer wischen, die Hupe macht Krach und alle Lichter leuchten, wie sie sollen. Bevor es zum Bremstest geht, wirft er einen Blick unter die Motorhaube. Ist die Bremsflüssigkeit verfärbt, wackelt die Batterie? Das nicht, aber die Abdeckung auf den Polen der Batterie fehlt. Nicht schlimm beim Golf 2, weil genug Abstand zur Motorhaube besteht. Moser belässt es bei einem Hinweis. Bei anderen Fahrzeugmodellen könnte so eine Kleinigkeit aber bedeuten: Kurzschluss. „Im schlimmsten Fall geht das ganze Auto in Flammen auf“, sagt er.
Dieses Detailwissen ist der Grund, warum die DEKRA-Prüfer eine lange Ausbildung absolvieren müssen. Die insgesamt 14 Prüfer in Straubenhardt sind studierte Ingenieure oder Elektrotechniker. Viele, wie Moser, mit voriger Berufserfahrung als Kfz-Mechatroniker. Anschließend folgt eine achtmonatige Weiterbildung. Einfach eine Checkliste abzuarbeiten, reicht nicht aus. Jedes Fahrzeug ist anders, für jedes gelten andere Richtwerte, was beispielsweise die Bremsleistung angeht.
Auch diesen Test meistert der Golf mit Bravour. Also rauf auf die Hebebühne – bei älteren Fahrzeugen folgt hier oft das böse Erwachen. Moser leuchtet mit der Taschenlampe den Unterboden ab. „Der steht wirklich gut da“, sagt er. Eine Bremsleitung wird langsam porös, aber noch kein Grund zur Sorge. Vom Motor tropft etwas Öl – nicht ungewöhnlich bei dem Alter von über 30 Jahren. Ein besonders häufiger Grund, warum Autos durchfallen: gebrochene Federn. Ein Sicherheitsrisiko, weil der Wagen nicht mehr sauber auf der Straße aufliegt. Besonders kurios: Beim Auto einer Kundin sind Moser während des Bremstests einmal alle Federn gebrochen. In so einem Härtefall darf das Fahrzeug das Betriebsgelände nicht mehr verlassen. Die Frau musste es abschleppen lassen.
Es sind solche Sicherheitsrisiken, die zu den sogenannten erheblichen Mängeln zählen. Neben Sicherheitsaspekten sind es Umweltbelastungen, die vom Fahrzeug ausgehen – und eine Plakettenvergabe nicht möglich machen. Das wird auch dem Golf zum Verhängnis: Eine leicht undichte Benzinpumpe macht eine Wiedervorführung nötig.
Plaketten-Betrug im großen Stil
Wenn Moser jemandem erzählt, was für einen Job er hat, ist die erste Reaktion: „Hast du eine Plakette für mich dabei?“ Auch wenn die Frage mit einem Augenzwinkern gestellt wird, hat sie einen wahren Kern. Denn Moser trägt wie alle anderen Prüfer die Box mit den offiziellen HU-Plaketten auf der Arbeit immer in einer Tasche am Körper. Niemals würde er sie einfach auf dem Schreibtisch liegen lassen. Diebstahl droht. Pressesprecher Wolfgang Sigloch hat in seiner elfjährigen Tätigkeit bei dem gemeinnützigen Verein, als der DEKRA eingetragen ist, bisher einmal einen größeren Fall von Betrug erlebt. Ein Prüfer hat Plaketten verkauft und Prüfberichte verfasst für Fahrzeuge, die er nie gesehen hat. Der Skandal fiel auf, weil der Mann scheinbar 100 Autos am Tag prüfte. Um Betrug vorzubeugen, wird deshalb über den Verbleib jeder einzelnen Plakette genau Buch geführt – alles ist abgezählt und registriert.
Neben Pkws fahren täglich alle möglichen Fahrzeuge durch Mosers Tore.
„Alles, was auf deutschen Straßen fährt und prüfpflichtig ist, hatten wir in den Fingern: Den Mähdrescher, den alten Traktor von 1950, dann kommt ein Tesla reingefahren und danach ein Jeep aus dem Zweiten Weltkrieg. Das ist einfach großartig." Holger Moser, Prüfingenieur
Aber: Gut 20 Prozent der Fahrzeuge fallen durch die Hauptuntersuchung, sagt Sprecher Sigloch. Bei Fahrzeugen die älter als sieben Jahre sind, steigt die Quote deutlich. Die Prüfungen finden zum Großteil gar nicht mehr in den Prüfstellen direkt statt, sondern in den Autowerkstätten. 70 Prozent der Überprüfungen werden dort vorgenommen. Für viele Autofahrer ist das bequem: Ein Mechaniker ihres Vertrauens schaut vorher nochmals drüber, die Chancen auf Erfolg steigen, die Kosten einer Wiedervorführung entfallen.
Dadurch sinkt das Frustpotenzial. Die meisten Menschen würden negative Bescheide gutmütig hinnehmen oder seien sogar dankbar, dass sicherheitsrelevante Mängel gefunden wurden, sagt Moser. Aber der ein oder andere Wutausbruch bleibt nicht aus. Da komme es schon mal vor, dass jemand mit quietschenden Reifen vom Hof donnert. Ein Umgang auf Augenhöhe mit den Kunden ist Moser deshalb wichtig. Die Prüfer erklären nicht nur, was kaputt ist, sondern auch, was für Folgen das haben kann. Bei kleineren Problemen, die noch keine Mängel sind, geben die Prüfer Hinweise und Tipps. „Pflicht ist das nicht, aber wir machen das trotzdem. Das kommt bei den Menschen einfach besser an, als wenn sie nur einen Mängelbericht in die Hand gedrückt bekommen“, sagt Moser.
Deutscher Exportschlager: DEKRA überprüft die ganze Welt
Gegründet wurde der Deutsche Kraftfahrzeugüberwachungsverein (DEKRA) 1925 von Unternehmen, die ihren eigenen Fuhrpark instand halten wollten. Mittlerweile ist DEKRA der größte Anbieter der staatlich verordneten Hauptuntersuchung in Deutschland. Denn: Der Konkurrent TÜV ist unterteilt in mehrere regionale eigenständige Unternehmen, so zum Beispiel TÜV Süd oder TÜV Nord. DEKRA ist in mehr als 60 Ländern auf der Welt tätig. Sogar in einigen Staaten der USA, erzählt Pressesprecher Wolfgang Sigloch, gibt es mittlerweile verpflichtende Prüfungen.
