Eisingen -  19.04.2020
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Historischer Fund: Gotisches Lanzettfenster sagt viel über Eisinger Geschichte aus

Eisingen. Als Susanne Kaiser-Asoronye für den Ortsführer durch Eisingen recherchierte, informierte sie sich auch in Schriften des Kunsthistorikers Emil Lacroix vom Landesdenkmalamt. Seinen Beschreibungen zufolge, stand einst in der Steiner Straße ein verputztes Fachwerkhaus, gebaut zu Beginn des 17. Jahrhunderts, in dem sich bis Mitte der 1950er-Jahre eine Schmiede befand. Das Besondere: In den Beschreibungen ist von einem gotischen Lanzettfenster die Rede, das im Haus verbaut war. Ein Stück Kirchenarchitektur in einem bäuerlichen Gebäude.

Historisches Lanzettfenster Eisingen
Historische Aufnahme des 1989 abgerissenen Gebäudes in der Steiner Straße mit barockem Fenster. Foto: Familie Steudle

Als Kaiser-Asoronye das erfuhr, war sie wie elektrisiert: „Da das Gebäude erst 1989 abgerissen wurde, hatten wir die Hoffnung, dass das Fensterchen zuvor noch fotografiert wurde.“ Sofort begann die Suche: unter anderem beim Bauamt des Enzkreises, beim Denkmalamt und beim Kreisarchiv. Aber alles ohne Erfolg. Ruth Steudle lieferte schließlich den entscheidenden Hinweis. Ihr Ehemann Helmut und dessen Bruder waren die Eigentümer des Gebäudes, das ihr Elternhaus war. Steudle berichtete von einer Untersuchung, die das Bauamt des Enzkreises einst veranlasst hatte. „Aus dem Untersuchungsbericht erfuhren wir, dass das Lanzettfenster wohl von 1621 an verbaut und 1748 bei einer Teilzerstörung des Hauses erneut verwendet wurde“, berichtet Kaiser-Asoronye: „Dabei hatte man als Fenstersturz einen alten Grenzstein genommen.“ Auch von einem barocken Fenstererker sei die Rede gewesen. Von den Eigentümern erhielt Kaiser-Asoronye ein um 1900 entstandenes Foto, auf dem das Gebäude deutlich zu erkennen ist. Und es kam noch besser: Steudle berichtete, dass nach ihrer Erinnerung das Lanzettfenster beim Abriss 1989 nicht vernichtet, sondern aufgehoben wurde.

Fündig wurde man letztlich dank eines Zeitzeugen, der sich an zwei Steine erinnern konnte, die in einem Gebäude des Bauhofs gelagert wurden. Grenzstein und Fenster – beides hat überlebt. Für Kaiser-Asoronye liefert das wichtige Informationen über die Geschichte des Ortes, denn gotische Lanzettfenster befanden sich früher vor allem in Kirchen und Kapellen. Stellt sich die Frage: Wie konnte so etwas in das Haus in der Steiner Straße kommen? Ganz sicher kann Kaiser-Asoronye das zwar nicht sagen, aber sie vermutet, dass das Fenster aus einer alten Frühmesskapelle stammen könnte. Eine solche gab es in Eisingen. 1504 übergab Ludwig von Illingen seinem ehelichen Sohn „die Lehenschaft und Eigenschaft des Frühmess in der St.-Margarethen-Kapelle mit allen dazu gehörenden Rechten“.

Mit der Einführung der Reformation im Jahr 1556 verlor die Eisinger Kapelle ihre Funktion. Kaiser-Asoronye vermutet, dass die Ehrfurcht vor den „katholischen Hinterlassenschaften“ lange erhalten blieb. Die Kapelle könnte auch nach der Reformation noch viele Jahre stehen geblieben sein. Dass ein Bauelement danach wiederverwendet wurde? Einen ähnlichen Fall gibt es in Königsbach: Dort wurde ein kleines Maßwerkfenster in einer Scheune verbaut, das wohl vom abgerissenen Chor der Königsbacher Kirche stammte. Die Eisinger Kapelle lag laut Kaiser-Asoronye jedenfalls ganz in der Nähe des Hauses in der Steiner Straße. Dort liegt die Einmündung in die Kappelhofstraße. In einem Plan von 1761 und im Gemarkungsatlas von 1869 heißt die noch Kapellgasse. Diesen Hinweis auf den Standort des Kirchleins teilen auch Jeff Klotz und Michael Österle. Letzterer ist Mitglied im Vorstand des Vereins „Gemeinsam für Eisingen“, der das Buch in Auftrag gegeben hat.

Mehr Informationen über die Eisinger Ortsgeschichte liefert der Ortsführer „Ein Rundgang durch Eisingen“, erschienen im Klotz- Verlagshaus, herausgegeben vom Verein „Gemeinsam für Eisingen“.

Autor: Nico Roller