Maulbronn
Maulbronn -  05.09.2021
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Solist Nimrod Guez glänzt bei Maulbronner Klosterkonzerten

Maulbronn. Spöttische Witzeleien über Bratscher und ihr Instrument, wie sie unter Orchestermusikern verbreitet sind, treffen auf schieres Unverständnis, wenn man den exzellenten Viola-Solisten Nimrod Guez in Maulbronn erlebt und gehört hat. Er präsentierte sich in Kompositionen für Klavier und Bratsche, die er zusammen mit dem Maulbronner Residenz-Pianisten Bernd Glemser interpretierte, als Künstler von Rang. Unter seinen Händen entfaltete die Viola, deren Klang gemeinhin als spröde und herb gilt und die von den Großmächten Violine und Cello musikgeschichtlich an den Rand gedrängt wird, ein ganz besonderes Melos, konnte locken, klagen und entschieden auftrumpfen. Sein Viola-Ton wirkte frisch und bewundernswert variabel.

Feinnervig und konzentriert

Leider sind klassische Werke, in denen sich die Bratsche solistisch zeigen kann, rar. Immerhin drei davon begeisterten das coronabedingt kleine Publikum im Kloster-Laienrefektorium. Vor allem die hochromantischen „Märchenbilder“ für Viola und Klavier op.113 von Robert Schumann kamen dem charaktervollen Spiel des jugendlichen Bratschen-Professors von der Würzburger Musikhochschule entgegen. Gleichgesinnt, feinnervig und konzentriert sekundierte Duo-Partner Glemser als Klavier-Poet am Flügel. Die Interpreten belebten die ersten drei Sätze, die nach romantischer Art als „nicht schnell“, „lebhaft“ und „rasch“ nach ihrer dynamischen Qualität bezeichnet sind, von innen heraus mit teils unglaublich rasanten Tempi, am Klavier mit temperamentvollem Tongeflirre und auf der Bratsche mit scharfkantigen Bogenstrichen. Im Kontrast glich die Wiedergabe des Finalsatzes „Langsam, mit melancholischem Ausdruck“ einer zauberhaft musikalischen Märchenerzählung – lyrisch beseelt, teils sehr zart, teils glutvoll leuchtend. Solche Musik schließt in träumerischen Streifzügen das Reich der Sehnsüchte auf.

Es folgt Klavier-Gedonner

Ähnlich kontrastreich gestaltete das Duo Johannes Brahms Sonate für Viola und Klavier in Es-Dur, op. 120 Nr. 2. Ein von heftigen Klavierakzenten bereicherter lieblicher Bratschen-Gesang herrschte im einleitenden „Allegro amabile“ vor. Leidenschaftliches Dialogisieren beider Instrumente bestimmte das „Allegro appassionato“. Gelassene Ruhe strahlte der Schlusssatz aus, der allerdings in Klavier-Gedonner und einer sich aufbäumenden Viola-Stimme seinen abrupten Abschluss fand. Eröffnet wurde der einstündige, für ein zweites Publikum wiederholte Konzertabend von einer völlig andersartigen Musik. Für Viola und Klavier adaptiert, boten Glemser und Guez Johann Sebastian Bachs Sonata für Gambe und Cembalo in g-Moll, BWV 1029, die an Motive der „Brandenburgischen Konzerte“ erinnert. Guez musizierte in nahezu vibratoloser Barock-Manier, virtuos auf den tiefen Saiten seines Instruments hüpfend, und stellte dabei seine hohe Kompetenz für historisch informierte Interpretationskunst heraus. Der von Glemser technisch hervorragend gegebene Cembalo-Part wirkte dagegen am Konzertflügel klanglich ein wenig deplatziert.

Als Zugabe-Leckerli erfreute die Poesie von Claude Debussys „Clair de lune“. Bei der für das Duo transponierten Klavierkomposition spielte Guez auf seiner Violine – ein Beweis dafür, dass manche Bratscher auch die Geige meisterlich beherrschen.

Autor: Eckehard Uhlig