Bezaubernde, variantenreiche Traumtöne – Saisonstart der Maulbronner Klosterkonzerte
Maulbronn. Überall, wo nach der Corona-Zwangspause Kulturveranstaltungen – unter eingeschränkten Bedingungen – wieder möglich sind, hört man Worte der Erleichterung, der Freude, des Glücks. So auch bei den Klosterkonzerten in Maulbronn, wo der verschobene Saisonstart am Sonntag stattfinden konnte.
Mit der zweimaligen Aufführung eines A-cappella-Programms, mit variantenreicher Frische und bezaubernden Traumtönen meldete sich der Maulbronner Kammerchor unter der Leitung seines Chefs Benjamin Hartmann zurück – eine musikalisch-lyrische Einstimmung auf kommende Kon-zert-Ereignisse, wie sie schöner und einfühlsamer kaum hätte sein können. Denn das von Hartmann konzipierte, knapp einstündige Kurzprogramm erfreute als dicht gefügtes Kunstwerk aus Chorge-sang, Gedicht-Rezitation und Orgelvorspiel. Der sinnfällig gewählte Programm-Titel „Nähe“ involvierte zugleich auch „Abstand“ und „Ferne“.
Weit schwingender Hall
Das einleitend vorgetragene, von Bengt Ollén originell arrangierte nordschwedische Volkslied „Trilo“ kündete von Ankunft und „Nähe“: „Här är han / Nära land“ (Da ist er / Nah dem Land). Mit zischenden Windgeräuschen über bordunartigen Vokalklang-Teppichen und Vogelrufen setzte der Chor ein, bis sich der Liedtext sanglich ausdrucksstark in grellen Farben freudig erregt entfaltete. Mit weit schwingendem Hall erlebte das Klang-Experiment in der Klosterkirche einen idealen Raum.
Immer wieder von Vorsänger-Einzelstimmen angefacht, fand mit der Wiedergabe von Felix Mendelssohns Psalmvertonung „Mein Gott, warum hast du mich verlassen“ (Psalm 22) die schmerzliche Erfahrung von Gottes Ferne ihren Ausdruck. In wunderbar chorischer Ausgestaltung erinnerten die gregorianisch anmutenden Melodielinien an Mönchsgesang, wie er ähnlich bei den musikalisch versierten Zisterziensern geklungen haben könnte.
Grenzing-Orgel im Einsatz
Der schöpferische Rückgriff auf Johann Sebastian Bach eint Mendelssohn und Camille Saint-Saens, dessen „Deux choeurs op.68“ das facettenreiche Chorprogramm bereicherten. „Les fleurs et les arbres“ wurde mit lebendig leuchtender Vielstimmigkeit interpretiert, „Calme des nuits“ zelebrierte feinen, nachtdunklen Vokalklang. Kongenial fügte sich Erich Frieds Gedicht „Du“ (als eingespielte Band-Rezitation von Fritz Stavenhagen gesprochen) in den Veranstaltungskontext ein, umrahmt von Bachs Fantasie und Fuge c-Moll (BWV 537), die der Organist Simon Graeber auf der Grenzing-Orgel ausführte.
Else Lasker-Schülers Gedicht „Aus der Ferne“ und Johann Wolfgang Goethes „Nähe des Geliebten“ verdeutlichten die thematischen Pole des Abends. Die von György Deák-Bárdos vertonten Bibelverse „Eli, Eli!“ (Matthäus 27, 46) vermittelten in chorisch anrührender Empathie die Verlassenheit des sterbenden Christus, Richard Rodney Bennetts Chorlied „A Good Night“ milderte den dramatischen Vorgang mit musikalisch ausstrahlender Gelassenheit.
Während all diese Werke digital-online neu eingeübt wurden – eine Meisterleistung von Hartmann und den Choristen – verabschiedete sich der Kammerchor mit einer Zugabe aus dem Repertoire: Luise Hensels Kinderschlaflied „Müde bin ich, geh‘ zur Ruh“ in einem Arrangement von Johannes Muntschick.
Weitere Infos und Karten unter www.klosterkonzerte.de